Name: Susanna Madora Salter (geb. Kinsey)
Lebensdaten: 2. März 1860 in der Nähe von Lamira, Belmont County, Ohio bis 17. März 1961 in Norman, Oklahoma
In aller Kürze: Ein paar konservative Männer wollten 1887 zeigen, Frauen hätten in der Politik nichts zu suchen. Dafür setzten sie die örtliche Liberale Susanna M. Salter ohne deren Wissen auf den Wahlzettel zum Bürgermeister. Zu ihrem Pech ging der Schuss nach hinten los und Frau Salter wurde die erste weibliche Bürgermeisterin der USA.
Im Detail: Susanna Madora Kinsey kam am 2. März 1860 zur Welt, in der Nähe des gemeindefreien Gebietes Lamira, Belmont County, Ohio. Damals waren viele der staatlichen Strukturen in den Vereinigten Staaten noch im Entstehen, aber Lamira ist tatsächlich bis heute gemeindefreies Gebiet. (Das liegt auch dermaßen mitten im Nirgendwo, dass das örtliche Postamt bereits 1967 geschlossen wurde. Solche fast menschenleeren Gebiete sind in den amerikanischen Flächenstaaten durchaus keine Seltenheit.)
Diese Herkunft aus dem Ländlichen war tatsächlich kein Zufall. Susannas Eltern Oliver Kinsey und Terissa Ann White Kinsey stammten tatsächlich von Quäkern ab, welche aus England ausgewandert waren. Die Quäker sind eine christliche Strömung mit sehr unterschiedlichen Ansichten – von konservativ bis liberal, von Bibeltreue bis zur Offenbarungsreligion. Den meisten davon war jedoch ein einfaches Leben besonders wichtig, weshalb sie sich oft im ländlichen Raum ansiedelten. Diese bescheidene, aber auch sehr auf eigene Überzeugung setzende Herkunft sollte sich in Susannas Leben immer wieder zeigen.
Als Susanna Kinsey zwölf Jahre alt war, zog die Familie auf eine neue Farm in Kansas in der Nähe der Silver Lake – auch dies ein Dorf, selbst heute kommt aus auf kaum mehr als 1300 Einwohner.
Entgegen des Klischees über die Landbevölkerung zeigten Susannas Eltern eine (für ihre Zeit) sehr liberale Einstellung zur Erziehung ihrer Tochter. So durfte sie nicht bloß eine weiterführende Schule besuchen, ab 1878 durfte sie gar studieren am Kansas State Agricultural College. (Daraus ist bis heute die Kansas State University geworden, die jedoch ein sehr viel breiteres Angebot hat.)
Dieses Studium ging zunächst sehr vielversprechend los, weil Kinsey schon auf der High School Fächer auf Universitätsniveau belegen konnte und deshalb ihr erstes Studienjahr schlichtweg überspringen durfte. Alles, und das sollte man noch einmal erwähnen, Möglichkeiten, die für Frauen damals definitiv nicht selbstverständlich waren.
Leider konnte Kinsey ihr Studium nicht abschließen, musste sie doch sechs Wochen vor ihrem Abschluss aufgrund von Krankheit quittieren. Allerdings konnte sie einen traditionelleren Erfolg mitnehmen: Sie fand einen Ehemann.
Während des Studiums hatte sie den Rechtsanwalt Lewis Allison Salter kennengelernt – einen Mann aus gutem Hause, dessen Vater Vizegouverneur von Kansas gewesen war. Die beiden heirateten kurz darauf, womit Susanna Salter den Nachnamen annahm, unter welchem sie in die Annalen eingehen sollte. Aus der Ehe sollten neun Kinder hervorgehen, auch wenn nicht alle davon bis ins Erwachsenenalter überleben sollten.
Das junge Paar zog nach Argonia, einen frisch gegründeten Ort im Süden von Kansas, der damals winzig war und es auch heute noch ist. Er hatte nie mehr als 600 Einwohner. In diesem winzigen Dorf sollte Frau Salter Geschichte schreiben.
Zunächst war sie in progressiven christlichen Kreisen aktiv, was damals bedeutete, dass sie sich in der Woman’s Christian Temperance Union (WCTU) betätigte, also jener Organisation, die für Frauenrechte kämpfte, sich aber auch dafür einsetzte, Alkohol zu verbieten. Aus heutiger Sicht, nach dem spektakulären Scheitern der Prohibition in den 1920ern, mag diese Kombination ziemlich verstörend wirken. Aber in einer Zeit, in der das schwierige Leben vieler Frauen als Bürgerinnen zweiter Klasse durch alkoholsüchtige Ehemänner noch viel schlimmer wurde, war dies eine offensichtliche Kombination.
In dieser neuen „Stadt“ machten zunächst die Herren der Familie politische Karriere (in welchem Maße man das in einem so kleinen Örtchen sagen kann). 1885 wurde Susannas Vater zum Bürgermeister gewählt und ihr Ehemann Schatzmeister.
Damit hatte Susanna M. Salter einigen indirekten politischen Einfluss in Argonia – einerseits durch zwei Familienmitglieder, andererseits durch Mitgliedschaft in einem wichtigen Interessensverband. Deshalb kamen ein paar konservative Männer auf die Idee, sie als absurdes Beispiel dafür zu verwenden, dass Frauen nichts in der Politik zu suchen hätten. Als bloßen Witz setzten sie die Dame auf den Wahlzettel zur Bürgermeisterwahl. Ihre Erwartung war, Salter (die erst am Wahltag überhaupt von ihrer Nominierung erfuhr) würde haushoch verlieren und könnte damit als Negativbeispiel aufgeführt werden. Dieser Schuss ging völlig nach hinten los.
Denn am Wahltag kamen direkt zwei Wählergruppen auf Susanna M. Salter zu und fragten sie, ob sie eine mögliche Wahl denn annähme: die WCTU und die Republikanische Partei. (Für Leser, die sich nur mit der aktuellen Politik in den USA befasst haben: In 19. Jahrhundert waren die Republikaner die progressive Partei. Abraham Lincoln war bspw. Republikaner.) Frau Salter bejahte diese Frage. Und beide Gruppen forderten ihre Anhänger auf, ihre bisheriger Wahlempfehlung zu vergessen uns ihre Stimmen der Kandidatin zu geben. So wurde Susanna M. Salter am 4. April 1887 mit einer Zweidrittelmehrheit zur ersten weiblichen Bürgermeisterin in den USA gewählt.
Diese Premiere war tatsächlich der einzig spektakuläre Teil von Salters Regierungszeit. Sie war eben die Erste. Das weckte landesweit Interesse: Aus fernen Städten kamen Reporter, um über die Amtstätigkeit der ersten Bürgermeisterin der Nation zu berichten. Ihre Berichte waren dann geradezu revolutionär banal. Frau Salter war professionell, aber unspektakulär. Sie machte ihre Aufgabe solide, konnte als Bürgermeisterin eines winzigen Ortes aber auch wenig Großes bewirken. So zeigte sie durchaus der Welt, dass eine Frau in politischen Würden genauso gut funktionieren konnte wie ein Mann. Damit ging der Streich der Herren, die sie heimlich nominiert hatten, komplett nach hinten los.
Weil Susanna M. Salter eben so gut in ihrer Funktion war, ist ihre Lokalpolitik einfach langweilig. Alles lief so, wie es sollte. Das erinnert mich ein wenig an ein Zitat von Heidi Kabel: „Die Emanzipation ist erst dann vollendet, wenn auch einmal eine total unfähige Frau in eine verantwortliche Position aufgerückt ist.“ – Als erste Frau in ihrer Position musste Salter eben kompetent sein.
Salter diente nur eine Legislaturperiode als Bürgermeisterin. Im Anschluss wohnte sie noch bis 1893 in dem kleinen Örtchen, bevor die Familie nach Oklahoma zog – und dort alle paar Jahre zum nächsten winzigen Ort. Nach dem Tode ihres Mannes zog Susanna M. Salter 1916 schließlich nach Norman, damit ihre jüngeren Kinder dort auf die Universität von Oklahoma gehen konnten. Dort sollte sie bis zum Ende ihres Lebens wohnen bleiben. Sie war weiterhin in christlichen und politischen Kreisen sehr aktiv, bis sie im stattlichen Alter von 101 verstarb – sie hatte ihren Mann um mehr als vier Jahrzehnte überlebt.