Hetty Green, Königin/Hexe der Wall Street

Name: Henrietta Green (geb. Howland Robinson)

Auch bekannt als: Königin der Wall Street oder Hexe der Wall Street (Je nachdem, was man von ihr halten mag.)

Lebensdaten: 21. November 1834 in New Bedford, Massachusetts bis 3. Juli 1916 in New York

In aller Kürze: Hetty Green war Geschäftsfrau und in ihrer Zeit die reichste Frau Amerikas, als es noch geradezu skandalös war, als Frau erfolgreiche Investorin zu sein. Ihre Bewunderer nannte sie „Königin der Wall Street“, ihre Verachter „Hexe der Wall Street“.

Im Detail: Hetty Green war eine sehr erfolgreiche Geschäftsfrau, die über den Lauf ihrer Karriere zur reichsten Frau Amerikas aufsteigen konnte. In einer Zeit, in der Frauen in aller Regel kaum eigenes Vermögen vorzuweisen hatten, brachte ihr das jede Menge Anfeindungen. Fairerweise muss man aber auch sagen, dass Green sich teilweise auch wirklich seltsam benahm. Zusammengenommen bedeutet das, dass manche Leute sie als sehr großzügig sahen, während andere sie als absurden Geizkragen verteufelten. Die Wahrheit lag wohl irgendwo dazwischen, aber die problematische Verlässlichkeit der Aussagen, auf denen ich diesen Artikel aufgebaut habe, wollte ich zumindest zu Beginn erwähnt haben. Halten Sie Ihre emotionale Reaktion auf diesen Text also etwas in Grenzen, es ist alles mit einem kleinen Fragezeigen zu sehen.

So oder so, was wir sicher wissen, ist, dass Henrietta Howland Robinson (zeitlebens „Hetty“ genannt) am 21. November 1834 in New Bedford, Massachusetts geboren wurde. Ihre Eltern Edward Mott Robinson und Abby Howland gehörten der religiösen Gruppe der Quäker an. Das ist eine christliche Kirche, die vor allem für ihren Pazifismus bekannt ist. Allerdings nur gegenüber Menschen – Hettys Eltern gehörten zur reichsten Familie der Stadt, weil der Familie eine ganze Walfangflotte gehörte, was damals noch kaum jemand kritisch sah. (Denken Sie daran, dass Moby-Dick erst 1851 erschien, als Hetty bereits 16 war. Und das Buch konnte den Walfang noch uneingeschränkt feiern. Ist übrigens dennoch ein guter Roman, nur so als Leseempfehlung.)

Schon im zarten Alter von zwei Jahren wurde die junge Hetty zu ihrem Großvater und ihrer Tante geschickt, um dort großgezogen zu werden. Diese Entwicklung sollte für das Mädchen so prägend sein, wie man es bei einem frühkindlichen Einfluss erwarten sollte. In diesem Fall brachte es Hetty Howland Robinson auf ihren Weg zur erfolgreichen Geschäftsfrau. Denn ihr Großvater war als Investor aktiv und band sein Enkelkind direkt in seine Tätigkeiten mit ein, was damals bei einem Mädchen durchaus keine Selbstverständlichkeit darstellte. So zeigte er ihr einige seiner Geschäftsmethoden und ging Aktienkurse und Wirtschaftsberichte mit ihr durch.

Eine ähnliche Beziehung baute sie zu ihrem Vater auf. Nachdem der Großvater verstorben war, kam Hetty wieder in die Obhut ihrer leiblichen Eltern. Da ihre Mutter jedoch krank und schwach war, war es größtenteils der Vater, zu dem sie eine Bindung aufbaute. Und Edward Mott Robinson, der gerade das Walfangimperium Hettys Großvaters geerbt hatte, bildete seine Tochter in der Geschäftsführung aus. Nicht durchgehend, denn ab dem Alter von 10 Jahren ging die junge Hetty auf ein Internat, aber in den Ferien.

Im Alter von 13 Jahren wurde sie dann hauptberuflich Geschäftsfrau. Hetty Howland Robinson wurde die Buchhalterin der Familie und begleitete ihren Vater bei vielen Geschäftsterminen. Zwischen Geschäftstätigkeit und Ausbildung pendelte die junge Frau daraufhin immer wieder hin und her – in mehreren Schulen wurde sie ausgebildet und in viele Geschäfte eingebunden. In diesen Jahren entwickelte sie eine Einstellung, die sie bis zu ihrem Lebensende beibehalten sollte: Sie wollte finanziell erfolgreich sein und Karriere machen, auch wenn das für sie als Frau damals wirklich verschrien war.

Ihre Mutter und ihre Tante waren alles andere als glücklich mit dieser Entwicklung, wogegen ihr Vater wohl auf Hettys Seite war. Aus heutiger Sicht absurd, hatten die Damen der Familie die Aufgabe, das Patriarchat aufrecht zu erhalten. Und dieser kamen die beiden nach, indem sie Hetty drängten, einen Ehemann zu finden.

Um diesem Anspruch zu entsprechen (und vermutlich auch, um Distanz zwischen sich und ihre Mutter und Tante zu bringen), zog Henrietta damals-eben-noch-nicht-Green nach New York. Zunächst war sie wohl wenig begeistert von diesem Plan, aber dann lernte Hetty die Stadt lieben. Jedoch nicht wegen der Männer, die sie dort kennenlernte. Sie besuchte Bälle und Feiern der Oberschicht und amüsierte sich dort sehr. Allerdings stets auf Kosten der Veranstalter.

Hier zeigte sich Howland Robinson zum ersten Mal wirklich extrem sparsam. Sie gab nur ein Sechstel des Geldes aus, welches ihre Familie ihr mitgab. Die übrigen Finanzmittel investierte sie in erfolgreiche Aktien. Dass sie diese Chancen für gute Investitionen ausfindig machen konnte, lag am zweiten Grund für ihrer Begeisterung für New York: Neben den opulenten Festen konnte sie in der Wall Street auch an die neusten Gerüchte und Informationen zur Wirtschaft kommen.

Als die junge Frau mit guten Investitionen, aber ohne Ehemann zurück in die Heimat nach New Bedford kam, war ihr Vater begeistert, und Mutter und Tante empört.

Für Hettys Werdegang war die Beziehung zu ihrem Vater weiterhin skandalös wichtig. Dieser zog sich aus dem Walgeschäft zurück und ging stattdessen nach New York, um sein Geld zu investieren. Die Tochter pendelte zwischen New Beford und New York hin und her, um die Geschäfte ihres Vater zu unterstützen und um sich mit weiteren Familienmitgliedern über das Testament ihrer Tante zu streiten (dazu gleich mehr).

Hetty war immer noch sehr an Geld interessiert. Insofern mag es nicht verwundern, dass sie sich, als sie dann schließlich doch heiratete, einen Millionär ausgesucht hatte. 1865 vermählte sie sich mit Edward Henry Green. Ungewöhnlich für ihre Zeit konnte Hetty eine klare Trennung der Vermögen durchsetzen und ihr eigenes Geld behalten, was sich später auch als dringend nötig herausstellen sollte. Durch die anschließende Heirat am 11. Juli 1867 nahm sie dann den Namen an, unter welchem sie in die Annalen einging.

Kurz darauf starben Hettys Vater und ihre Tante. Das Erbe, welches ihr damit zukam, hätten Durchschnittsverdiener durchaus stattlich gefunden. Sehr zu Hettys Ärger fiel es jedoch deutlich kleiner aus, als sie gehofft hatte. Das lag einerseits daran, dass die Vermögen beide in Treuhand verwaltet wurden und Hetty nur die Gewinne davon ausbezahlt bekam. Hetty war (ziemlich sicher zurecht) der Überzeugung, sie könnte das Vermögen viel effektiver investieren.

Der zweite Grund war, dass ihre Tante ihre Erbmasse zwischen Hetty und wohltätigen Zwecken aufgeteilt hatte. Hetty berief sich vor Gericht darauf, ein Anhang an das Testament würde ihren Anteil zu Ungunsten der Wohltätigkeit deutlich erhöhen. Das Gericht beurteilte diesen Anhang jedoch als Fälschung. Ob das der Faktenlage entsprach, weiß ich nicht zu beurteilen. Sicher ist auf jeden Fall, dass die Geschäftsfrau wirklich erbost war über dieses Urteil.

In Reaktion auf diese Entwicklung zogen die Greens über den Atlantik nach London, was damals das große Zentrum des Bankenwesens in der Welt darstellte. 1867 ging es in die Hauptstadt des Britischen Weltreichs. Bis 1873 sollten sie dort wohnhaft bleiben – auch die beiden Kinder aus dieser Ehe (Sohn Edward, „Ned“ genannt, und Tochter Harriet Sylvia Ann, „Sylvia“ gerufen) sollten dort geboren werden. Danach ging es wieder zurück nach New York.

Über diese Jahre waren beide Greens weiterhin als Investoren aktiv. Aber Hetty war doch deutlich besser darin. Ihr Mann Edward war dagegen sogar derart schlecht, dass seine Frau ihn aus den Schulden holen musste. Edwards Scheitern kumulierte nämlich 1885 zu einem Schuldenberg von 700.000 US-Dollar (heute entspräche dies ca. 22 Millionen Dollar). Um an diese Schulden einzutreiben, hielt die Bank 26 Millionen Dollar (heute: ca. 830 Millionen Dollar) von Hetty Green fest, bis die Säumnisse ihres Ehemanns beglichen wären. Weil niemand sonst bereit war, diese Summen beizusteuern, musste Hetty Green zähneknirschend die Schulden ihres Ehemanns zahlen, um an ihre Millionen zu kommen. Sie würde das ihrem Mann bis zu dessen Tod 1902 nie verzeihen.

In den folgenden Jahren war sie extrem erfolgreich als Geschäftsfrau. Ihre größte Stunde war vermutlich eine Wirtschaftskrise 1907. Hetty Green hatte diesen Crash vorhergesehen und ihre Investitionen daran angepasst. So konnte sie massiv aus dieser Krise profitieren – vor allem, indem sie zuvor große Mengen an Ersparnissen bereitgehalten hatte, um Bankiers in Schwierigkeiten mit hochverzinsten Krediten über den Tiefpunkt zu helfen.

Diese Erfolge brachten Green den Spitznamen Königin der Wall Street (engl. Queen of Wall Street). Sie war sogar so erfolgreich, dass Politiker sie um Rat fragten, wie die Krise zu überwinden sei – 1907 für eine Frau absolut ungewöhnlich.

Ihr Geschlecht, zusammen mit dem Gemeinplatz, Erfolg ziehe eben Neider an, sorgten jedoch auch dafür, dass andere sie als Hexe der Wall Street (engl. Witch of Wall Street) titulierten. Der Stein des Anstoßes war ihre schon fast absurde Sparsamkeit. Damit stand sie im krassen Kontrast zu den meisten Kapitalisten der Stadt, die regelmäßig mit teuren Feiern, Anschaffungen usw. angaben und sich ihren Status sicherten. Green erklärte ihre sparsame Haltung mit einem Wunsch danach, mit günstigen Dingen glücklich zu sein, anstatt immer teurere Sachen zu brauchen. Außerdem führte sie es auf ihren Glauben als Quäkerin zurück, was sich auch damit deckte, dass sie häufig für wohltätige Zwecke spendete – allerdings stets heimlich, weil sie es nicht für Aufmerksamkeit tat. Vielleicht wegen dieser Geheimhaltung wurde sie von vielen für ihre Sparsamkeit kritisch beäugt bis verschrien.

Einerseits muss man zugeben, dass Hetty Green es damit wirklich absurd weit trieb. Bspw. hatte sie zur jeder Zeit nur ein einziges Kleid (in schwarz), welches sie solange trug, sie es auseinanderfiel. Erst dann kaufte sie sich ein neues. Sie ließ es auch immer nur an den dreckigsten Stellen reinigen, um Seife zu sparen. Also normal war das selbst für arme Leute nicht.

Andererseits wurde ihr Geiz von ihren Feinden und den Medien überhöht dargestellt. Das extremste Beispiel hierfür wäre eine Krankheit ihres Sohnes, welche darin endete, dass der junge Ned ein Bein verlor – es musste amputiert werden. Darüber erzählte man, sie wäre zu geizig gewesen, um einen Arzt zu bezahlen, das Bein ihres eigenen Kindes zu retten. In Wirklichkeit gab Hetty Green ein kleines Vermögen aus, in der Hoffnung, ihren Sohn heilen zu lassen. Die Medizin der Zeit reichte nur nicht als.

Offenbar konnten sich viele der patriarchalischen Leute ihrer Zeit eine reiche Geschäftsfrau nur erklären, wenn diese eine „Hexe“ wäre. Soweit wir das beurteilen können, war die Dame ziemlich genervt von ihrer Darstellung in den Medien, ließ sich davon jedoch nicht entmutigen, eine der erfolgreichsten Investorinnen ihrer Zeit zu sein. Hetty Green starb am 3. Juli 1916 in New York in Gegenwart ihres Sohns. Sie war noch kurz zuvor zur Episkopalkirche konvertiert, um neben ihrem verstorbenen Ehemann beerdigt werden zu können. Ihren Kindern hinterließ sie ein Vermögen, das auf 100 bis 200 Million Dollar geschätzt wird (entspräche heute 2,7 bis 5,4 Milliarden Dollar).

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