Hugo Erfurt, Erfinder der Raufasertapete

Name: Heinrich Wilhelm Hugo Erfurt

Lebensdaten: 13. Februar 1834 in Schwelm bis 4. März 1922 in Dahlhausen bei Beyenburg

In aller Kürze: Seine Erfindung ziert die meisten Wände in deutschen Wohnungen: Hugo Erfurt erfand die Raufasertapete.

Im Detail: Unser heutiger Unprominenter könnte der deutscheste sein, seid wir Friedrich Soennecken hatten, den Erfinder des Aktenordners und des Lochers. Denn Hugo Erfurt erfand 1864 die Raufasertapete.

Heinrich Wilhelm Hugo Erfurt (genannt „Hugo“) wurde am 13. Februar 1834 in Schwelm geboren, einem Vorort von Wuppertal. Die Papierherstellung lag ihm sozusagen im Blut, denn schon der Großvater Friedrich Erfurt hatte 1827 im benachbarten Wupperteil eine Papierfabrik eröffnet. Auch Hugos Vater Heinrich Erfurt war als Papiermacher tätig. Seine Mutter Auguste Erfurt, geb. Braselmann, war zunächst Hausfrau, wie damals leider üblich. Sie half jedoch auch bei der Verwaltung der Papierfabrik aus und sollte deren Leitung gar für 13 Jahre übernehmen, nachdem sie 1856 mit dem Tode ihres Ehemanns zur Witwe wurde.

Diese Fabrik war sehr erfolgreich, unter anderem weil sie frühzeitig auf moderne Automatisierung setze. Und sie beliefert auch die Tapetenindustrie. Tapeten waren damals seit ein paar Jahrzehnten eine wichtige Neuerung in Europa gewesen. Hatte man zuvor die Wand direkt bemalt, was Renovierung sehr teuer und aufwendig machte, kam im 11. Jahrhundert die Tapete aus Afrika nach Europa. Zunächst waren diese aus Stoff, was sie für viele Zwecke unpraktisch machte. Auch spätere Papiertapeten waren Luxusgüter und ziemlich selten, bevor die Industrialisierung ihre Massenproduktion ermöglichte. Ab dem 19. Jahrhundert kamen damit in großen Mengen Tapeten aus Papier auf den Markt.

Diese hatten jedoch zwei zusammenhängende Probleme: Weil sie direkt auf die Wand geklebt wurden, wurden dadurch Unebenheiten der Wand sehr deutlich sichtbar. Man konnte solche Dellen ein wenig mit alten Zeitungen unter der Tapete ausgleichen, aber so richtig gut funktionierte dies oft nicht. Deshalb mussten Tapeten kunstvoll gefärbt und verziert sein, um ordentlich auszusehen. Das machte diese Tapeten (a) recht teuer, und (b) häufig gesundheitsschädlich, weil damalige Papierfarbstoffe ziemlich giftig sein konnten. Beispielsweise bestand das Schweinfurter Grün zu großem Teil aus Arsen, was man vielleicht nicht in seiner Wohnung haben möchte.

Diese Probleme löst die Raufasertapete. Sie ist einfach genug herzustellen, dass sie für fast Jedermann bezahlbar war. Und weil ihre raue Struktur Unebenheiten der Wand kaschiert, war sie simpler (und hoffentlich ungefährlicher) einzufärben – man konnte sie einfach einfarbig gestalten. Diese Neuerung geht eben auf Hugo Erfurt zurück.

Hugo Erfurt hatte sich ursprünglich für den Beruf des Apothekers entschieden, näherte sich aber nach dem Tode seines Vaters dem traditionellen Gewerbe seiner Familie wieder an. Ob dies ein Zeichen davon ist, dass er sich vor allem aufgrund von Streit mit seinem Vater für eine anderen Beruf entschieden hatte, oder ob er vielleicht seiner Mutter helfen wollte, die den Betrieb nun leitete, das ist nicht überliefert. Dass die Witwe der Fabrik für 13 Jahre vorstehen durfte, obwohl ein volljähriger, männlicher Erbe zur Verfügung stand, kann zumindest andeuten, dass Hugo Erfurt sich gar nicht so recht für Papier interessierte und sich nur zögerlich wieder dem Familienbetrieb widmete.

Vielleicht war der mangelnde Eifer ihres Erfinders auch ein Grund für den sehr zögerlichen Durchbruch der Raufasertapete. Die neue Tapete brauchte nämlich eine Weile, bis sie Erfolg feiern konnte. Das mag auch an einer recht zaghaften Vermarktung gelegen haben, denn sie hatte lange gar keinen festen Markennamen. Erst 1918, 54 Jahre später, erhielt sie ihren heutigen Namen „Rauhfasertapete“ (vor der Rechtschreibreform noch mit H).

Damit stand sie in den Startlöchern, um in der Bauhaus-Epoche der 1920ern ihren ersten großen Erfolg feiern zu können. Der Bauhausstil mit seiner klaren Auslegung auf „Form folgt der Funktion“ (engl.: „form follows function“) schätzte die einfache, aber hochfunktionale Raufasertapete sehr. Seitdem ist sie der Standard, vor allem in Deutschland.

Hugo Erfurt sollte dies kaum noch erleben. Er hatte schon 1861 seine Frau Catharina Maria Auguste geheiratet und zwei Söhne mit ihr. Diese hatten 1893 die Papierfabrik übernommen, sodass der Vater mit dem Tagesgeschäft nicht mehr viel zu tun hatte.

Auch den kulturellen Aufstieg seiner Erfindung in den 1920ern konnte Hugo Erfurt nur in seinen Anfängen miterleben. Er verstarb im stattlichen Alter von 88 Jahren am 4. März 1922 in Dahlhausen bei Beyenburg, einem Vorort von Wuppertal.

Ein ziemlich sicher unabsichtliches Denkmal hat ihm der Kinderkanal KiKA gesetzt: Dessen Zentrale hat ihren Sitz in Erfurt (der Stadt) und sein Maskottchen Bernd das Brot hat eine erklärte Liebe zur Raufasertapete.

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