Name: Sebastian Wilhelm Valentin Bauer
Lebensdaten: 23. Dezember 1822 in Dillingen an der Donau bis 20. Juni 1875 in München
In aller Kürze: Wilhelm Bauer war der erste Ingenieur, der ein (halbwegs) funktionierendes Tauchboot bauen konnte.
Im Detail: Viele Erfindungen werden von einer Vielzahl von Leuten gemeinsam gemacht. Andere werden von Einzelpersonen als ein plötzlicher Durchbruch geleistet. Und dann gibt es solche, die von einer Vielzahl von Leuten erdacht und immer wieder versucht werden, bis es endlich jemandem gelingt, einen Prototyp zu bauen, der auch tatsächlich funktioniert. Das Flugzeug war so ein Fall – jahrhundertelang versucht, von den Wright-Brüdern verwirklicht. Und auch das Unterseeboot fällt in diese Kategorie – jahrhundertelang erträumt (unter anderem von Leonardo da Vinci), von Wilhelm Bauer zum ersten Mal tatsächlich zur Funktion gebracht.
Für jemanden, dessen wichtigste Arbeit in Kiel passierte, kam Sebastian Wilhelm Valentin Bauer aus dem tiefsten Süden Deutschlands. Er wurde am 23. Dezember 1822 in Dillingen an der Donau geboren. (Wie der Name schon sagt, liegt dieser kleine Ort am Fluss Donau. Genauer gesagt, in Schwaben, gerade noch in Bayern – knapp vor der Grenze zu Baden-Württemberg.)
Zunächst lernte er ein alteingesessenes Handwerk: Es ließ sich zum Drechsler ausbilden. Im neunzehnten Jahrhundert gab es allerdings einen klaren Weg, für einen Mann (leider nicht für eine Frau) nennenswert Karriere zu machen: das Militär. Er trat einem Reiterregiment bei. Seinen Aufstieg dort sollte man nicht überschätzen. Weil er nicht adelig und kein Offizier war, wurde seine Expertise regelmäßig ignoriert und von weniger Kompetenten überstimmt. Dass Bauer in solchen Situationen nicht immer diplomatisch reagierte, ist nachvollziehbar, aber machte ihm auch häufig das Leben schwer.
Seinen ersten Einsatz als Soldat sah er, nachdem 1848 die sogenannte Schleswig-Holsteinische Erhebung begann. Darin unterstütze der Deutsche Bund nationalistische Kräfte in Schleswig-Holstein, welches damals in Personalunion zum Königreich Dänemark gehörte. Diesen Aufstand als „Krieg“ zu bezeichnen, ist bereits gewagt. Ein paar tausend Soldaten kamen zum Einsatz, ca. 3500 davon sollten versterben. Ich will das gar nicht verharmlosen, aber in Napoleons Russlandfeldzug allein verstarben ca. 800.000 Mann. Und das war fast vierzig Jahre zuvor, wonach die Bevölkerungszahlen merklich gestiegen waren.
Als symbolischer Konflikt war dieser Aufstand allerdings sehr bedeutend. Daher schickte unter anderem Bayern einen Hilfskorps in den Norden, um gegen die dänischen Truppen zu kämpfen. Trotz der Landgrenze zu Dänemark war der Seekrieg durchaus wichtig für den Ausgang des Konflikts, auch weil das Zentrum des nordischen Königreichs auch damals schon in Kopenhagen auf der Insel Seeland lag.
Und hier kam Wilhelm Bauers große Stunde. Dieser hatte schon zuvor mit Erfindergeist seiner Armee geholfen, als er einen Hebemechanismus für Kanonen erfand, der den schnelleren Transport dieser Kampfmittel erlaubte. Nun hatte er eine Idee: Die dänische Flotte war riesig und sehr fortschrittlich. Sie auf dem Wasser zu bekämpfen, wäre zum Scheitern verurteilt gewesen. Dann sollte man es doch einmal unter Wasser versuchen.
Versuche, ein Unterseeboot zu bauen, waren schon Jahrhunderte lang gelaufen. Dafür gab es einige Probleme zu lösen: Man müsste das Gefährt wasserdicht machen, ihm das Versinken erlauben (und im Idealfall auch das Auftauchen), es müsste sich unter Wasser bewegen können, und es müsste unter Wasser irgendetwas tun können (dort unten einfach zu existieren, wäre reichlich zwecklos gewesen und auch schon Jahrzehnte vorher gelungen). Erste Schritte absolvierte bspw. Denis Papin, der einen Prototypen in die Fulda brachte.
Wilhelm Bauer sollte nun der erste Durchbruch gelingen: Er entwickelte den Brandtaucher, ein Uboot, welches feindliche Schiffe unter Wasser angreifen und anstecken sollte – daher der Name Brandtaucher.
Bauer war von dieser Idee überzeugt. Nachdem die bayrischen Truppen sich nach dem Waffenstillstand von Berlin 10. Juli 1849 aus dem Konflikt zurückzogen, stellte er seinen Vorgesetzten trotzdem das Projekt vor. Als diese es ablehnte, quittierte er den Dienst und wechselte in die schleswig-holsteinische Armee, um für diese sein Uboot zu konstruieren.
Wilhelm Bauer wurde in Rendsburg stationiert, der Bau und Stapellauf des Brandtauchers sollte allerdings in Kiel geschehen. Dort wurde der Prototyp auch direkt gebaut – passenderweise von der Firma Schweffel & Howaldt, deren heutige Inkarnation (lange Zeit Howaldtswerke-Deutsche Werft GmbH, heute Teil von ThyssenKrupp Marine Systems GmbH) immer noch modernste militärische Uboote produziert. Anders als die Qualität, für die die Firma heute bekannt ist, lief der Bau nicht gerade hochwertig. Das lag wohl vor allem daran, dass Bauer als Nichtadeliger nicht richtig ernst genommen wurde. So setzten sich die Konstrukteure damals in einigen Punkten über Bauers Anweisungen hinweg, wodurch das finale Uboot deutlich fragiler war als ursprünglich geplant. Wilhelm Bauer muss frustriert gewesen sein.
Im Dezember 1850 führte Bauer dann seine erste Tauchversuche in der Kieler Förde durch. Hierfür wurde der Brandtaucher mit einem Seil von einem Schiff zu Wasser gelassen. Das Gefährt stellte sich widersinnigerweise als funktionierend und zugleich disfunktional heraus. Die eigentliche Probefahrt absolvierte der Brandtaucher problemlos – die erste Fahrt eines funktionierenden Uboots.
Weil es aber die erste Fahrt eines Uboots war, war das Gerät ziemlich kompliziert zu steuern und die Mannschaft konnte damit noch nicht richtig umgehen. Deshalb schaffte sie es, das frisch stapelgelaufene Uboot direkt nach seiner erfolgreichen Probefahrt zu versenken. Wilhelm Bauer muss wieder frustriert gewesen sein.
Zum Glück hatte man die Probefahrt nicht umsonst in der Kieler Förde durchgeführt. In der schmalen, langen Bucht ist das Wasser nicht sonderlich tief und sehr ruhig, sodass man das Gefährt bergen und die Reparatur beginnen konnte.
Nachdem die Schleswig-Holsteinischen Erhebung gescheitert war, war der Brandtaucher noch nicht vollständig instandgesetzt. In einem letzten Verzweiflungsversuch ging Bauer mit zwei Helfern auf eine letzte Probefahrt, aber das unvollständig reparierte Uboot sank wieder. Alle drei überlebten.
Spätestens jetzt würde man denken, wäre Bauer so frustriert, dass er den Ubootbau sein ließe. So war es aber nicht. Er kehrte nach München zurück, Kiel war ja frisch an Dänemark gefallen. In Bayern forschte und baute er weiter an Tauchbooten.
Aufgrund der weiterhin klaren Ausrichtung des Projekts auf das Militär musste sich Wilhelm Bauer beim Hochadel beliebt machen. Darin war er allerdings nicht sonderlich gut. In Deutschland konnte er mehrere Könige und Würdenträger treffen und keinen überzeugen. Allerdings war das britische Königshaus stark mit Deutschland verwoben.
So folgte Bauer einer Einladung nach London und versiebte es noch extremer. Offenbar hatte er den Vortrag nicht richtig gelesen, unter dem er in London für das britische Königshaus ein Tauchboot entwickelte. Er fand erst später heraus, dass er laut Vertrag umfassend für den Erfolg des Unternehmens haften müsste, obwohl er beim Bau des Uboots stets von anderen überstimmt werden konnte und auch wurde.
Haftung und Verantwortung ohne Weisungsbefügnis gefielen Wilhelm Bauer (zurecht) nicht. Um einen besseren Vertrag aushandeln zu können, spekulierte er öffentlich darüber, stattdessen nach Russland zu gehen. Das Zarenreich und das Vereinigte Königreich befanden sich zu diesem Zeitpunkt im Krieg miteinander, dem sogenannten Krimkrieg. Während dieses Konfliktes anzudrohen, nach Russland zu gehen, war eine Drohung mit Verrat und einfach nur dumm. Bauer musste aus England fliehen und ging dann tatsächlich 1855 nach St. Petersburg, auch wenn das ursprünglich ein Bluff gewesen war. (Zu Bauers Verteidigung muss man allerdings eingestehen, dass das Projekt in London ohne Bauer weitergeführt wurde – auf die Weise, gegen die der Fachmann vor seiner Flucht erfolglos protestiert hatte. Das entstandene Tauschboot sank bei seiner ersten Probefahrt. Wilhelm Bauer hatte also guten Grund, dafür nicht haften zu wollen.)
In St. Petersburg, damals die Hauptstadt des Russischen Reiches, ließ Bauer das neue Uboot Seeteufel bauen. Das Gefährt war klobig – ca. 16 Meter lang, dreieinhalb Meter breit, aus zehn Zentimeter dickem Stahl und nicht gerade stromlinienförmig. Es wurde mit der reinen Muskelkraft von zwölf starken Männern betrieben. Aber es hatte einen enormen Vorteil gegenüber vorherigen Projekten: Endlich hatte man auf Wilhelm Bauer gehört, der einfach wusste, was er tat, ganz gleich dass er kein Offizier oder Adeliger war. Der Seeteufel absolvierte 133 erfolgreiche Tauchfahrten. In der letzten sank das Uboot aufgrund eines Bedienfehlers – zum Glück konnte sich die Mannschaft retten.
Trotzdem war mit über 100 Fahrten Bauers Kompetenz bestätigt. Er führte weitere Projekte für die russische Marine durch, vor allem im Bereich der Bergung aus Gewässern. Sein dreistes Verhalten sollte Bauer trotzdem 1858 in Schwierigkeiten mit der Obrigkeit bringen, sodass er wieder nach München ziehen musste.
In Bayern führte er weitere technische Entwicklungen unter Wasser durch – vom Kabelverlegen bis zum Kanonenschießen unter See. Am 20. Juni 1875 verstarb Wilhelm Bauer im Alter von 52 Jahren in München.
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