George de Mestral, Erfinder des Klettverschlusses

Name: George de Mestral

Lebensdaten: 19. Juni 1907 in Saint-Saphorin-sur-Morges bis 8. Februar 1990 in Commugny

In aller Kürze: George de Mestral machte eine simple, aber geniale Erfindung: den Klettverschluss. Erst das Raumfahrtprogramm verhalf diesem zu Siegeszug.

Im Detail: Wann verwendeten Sie das letzte Mal einen Klettverschluss? Die Chancen stehen gut, dass es keine Woche her ist – vielleicht der Riemen eines Handschuhs, vielleicht der Verschluss einer Tasche, vielleicht die Riemen eines Turnschuhs oder Kinderschuhs, vielleicht die Polster in einem Fahrradhelm, vielleicht eine technischere Anwendung… Klettverschlüsse kommen praktisch überall vor. Für eine so allgegenwärtige Technologie und eine eigentlich recht simple Erfindung ist sie überraschend neu: George de Mestral kam 1941 auf die Idee.

Über das Leben des Erfinders ist wenig öffentlich bekannt. (Zumindest konnte ich wenig finden.) Er wurde am 19. Juni 1907 in Saint-Saphorin-sur-Morges geboren, einem kleinen Ort im schweizerischen Kanton Waadt in der Nähe der französischen Grenze. (Tatsächlich ist das Dorf so winzig, dass es 2011 mit zwei Nachbardörfern zur neuen Gemeinde Echichens fusionierte, die auch kaum mehr als 3200 Einwohner zählt.) Sein Vater Albert war Agraringenieur und auch der Sohn zeigte schnell technischen Verstand und Erfindergeist. Seine erste Erfindung, ein stoff-bespanntes Modellflugzeug, meldete George de Mestral im zarten Alter von 12 Jahren zum Patent an. Im Laufe seines Lebens sollte der Junge noch viele kleine Erfindungen machen – und eine wirklich große. Doch diese ließ ganz schön auf sich warten.

Denn nachdem de Mestral 1930 seinen Abschluss an der Technischen Hochschule von Lausanne (ebenfalls in Waadt) erlangt hatte, war er recht unspektakulär als Ingenieur tätig. 1941 hatte er dann eine plötzliche Eingebung.

Wie viele seine Landgenossen auch heute noch, war de Mestral begeisterter Jäger. Und auf einer Pirsch fiel im auf, wie sein Hund und seine Kleidung voller Kletten war. Die Früchte der Großen Klette (Arctium lappa) waren an den beiden hängengeblieben, eine evolutionäre Adaption, damit der Nachwuchs der Pflanze weit getragen wird. Das tut die Große Klette, indem ihre Früchte (im Volksmund ebenfalls „Kletten“ genannt) über lauter kleiner Widerhaken verfügen, die am Fell von Tieren und auch an Kleidung hängenbleiben. Sie lassen sich aus den Haaren aber auch wieder entfernen, denn sonst kämen sie ja nie in die Erde.

George de Mestral hatte nun die Idee, dies technisch umzusetzen für eine neue Art Verschluss – den Klettverschluss, der sich durch Widerhaken und Filzpolster immer wieder öffnen und schließen lassen könnte. (Die echten Kletten sind übrigens zusätzlich zu den Widerhaken auch noch klebrig, aber diese Eigenschaft kopierte der Erfinder wohlweislich nicht.)

Nun war die Schweiz zwar neutral, aber das Wüten des Zweiten Weltkriegs bekam auch ihre Wirtschaft deutlich zu spüren und 1941 war somit keine gute Zeit, um eine neue Erfindung auf den Markt zu bringen. Überhaupt hatte es de Mestral offenbar nicht eilig, erst 1951 patentierte er seine Idee. Er gab ihr den Namen Velcro vom Französischen „velours“ (deutsch „Samt“) und „crochet“ (deutsch „Haken“).

Das Produkt war ein Erfolg, aber ein ziemlicher Nischenerfolg. Trotz großer amerikanischer Geldgeber, wegen derer die Firma Velcro Industries in viele Länder expandieren konnte, war der Klettverschluss eher ein Kuriosum als eine Kerntechnologie. Er hatte begeisterte Anwender, aber war noch nicht in der breiten Masse angekommen.

Das sollte sich erst in die 1960ern ändern, als George de Mestral schon stramm auf das damalige Rentenalter zuging. Denn nach dem Sputnik-Schock 1957 und dem ersten Raumflug Juri Gagarins 1961 hielt John F. Kennedy am 12. September 1962 seine berühmteste Rede, in welcher er seiner Nation das Ziel setzte, bis zum Ende des Jahrzehnts einen Menschen zu Mond und zurück zu bringen.

Die Zukunftseuphorie, die das Apollo-Programm in der Westlichen Welt auslöste, lässt sich kaum überschätzen. Jede Menge neue Erfindungen und Ideen entstanden, tausender junger Leute gingen in die Naturwissenschaften oder Ingenieurswissenschaften, eine riesige Menge fortschrittlicher Konzepte wurden entwickelt. Tatsächlich gibt es durchaus ernstzunehmende Schätzungen, die besagen, schon Ende der 1980er hätten die USA für jeden investierten Dollar Steuergeld zehn Dollar zurückbekommen, wegen des Wirtschaftsaufschwungs, den der wissenschaftliche Fortschritt durch dieses Großprojekt verursachte.

Alles, was mit dem Weltraum zu tun hatte, wurde gefeiert als der beste, neuste Stand der Technik. Denken Sie daran, wie sich bis heute das Gerücht hält, Teflon wäre ein Nebeneffekt der Weltraumforschung – in Wirklichkeit wurde es schon 1938 erfunden, die erste Teflonpfanne schon 1961.

Und all diese Begeisterung kam auch dem Klettverschluss zugute. Denn für die Raumfahrt stellte sich die neue Verschlusstechnik als extrem praktisch heraus. Sie ist mechanisch (alles Elektrische oder Klebstoffbasierte macht dort oben Probleme – Elektrik kann mit anderer Technik wechselwirken und Klebstoff trocknet im Vakuum aus); sie ist robust; sie ist nicht sonderlich teuer; sie ist leicht (Masse ins All zu schießen kostet ein Vermögen); und allen voran muss man nicht gut treffen. Das mag banal klingen, aber in der Schwerelosigkeit, wo es kein Oben und kein Unten gibt, ist es tatsächlich gar nicht so einfach so etwas wie einen Knopf oder einen Reißverschluss zu schließen. Trägt man noch einen klobigen Raumanzug, wird es praktisch unmöglich. Aber die Erfindung von George de Mestral stellte sich rasch als ideal für diese Anwendung heraus – einmal draufdrücken und es hält. Man muss weder den Ort noch die Ausrichtung genau treffen. (Das sieht man übrigens auch auf Weltraumfotos gelegentlich, wenn der Klettverschluss eher so auf halb acht hängt.)

Nun hatte die NASA zwar viel Geld, aber noch viel lukrativer waren all die privaten Verbraucher, die wie gesagt großes Interesse an allem hatten, was das Apollo-Programm als technischen Neuerungen in die Welt brachte. So eroberte sich der Klettverschluss seinen heutigen Platz in einer Vielzahl technischer Anwendungen und Gebrauchsgüter weltweit. Sein Erfinder kam trotzdem nicht viel in der Welt herum. Er lebte und starb weiterhin im Kanton Waadt. George de Mestral war dreimal verheiratet, hinterließ drei Kinder und verstarb am 8. Februar 1990 im Genfer Vorort Commugny, keine 50 Kilometer von seinem Geburtsort entfernt.

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