Georges Cuvier, Entdecker das Artensterbens

Name: Georges Léopold Chrétien Frédéric Dagobert, Baron de Cuvier

Auch bekannt als: Vater der vergleichenden Paläontologie

Lebensdaten: 23. August 1769 in Montbéliard bis 13. Mai 1832 in Paris

In aller Kürze: Bis zur Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert war es umstritten, ob Arten überhaupt aussterben können. Erst Georges Cuvier konnte es belegen.

Im Detail: Am 23. August 1769 kam Georges Cuvier zur Welt, allerdings unter dem Namen Jean Léopold Nicholas Frédéric Cuvier. Damals waren Namen noch nicht so festgesetzt wie heutzutage. Insofern nahm er später noch den weiteren Vornamen Dagobert an. Außerdem sollte er noch seinen ersten Vornamen Jean zu Georges ändern, um den Namen seines älteren Bruders zu übernehmen, welcher zwei Jahre vor seiner Geburt als Kleinkind verstorben war.

Sein Geburtsort war die Stadt Montbéliard, welche heute in Frankreich liegt, sehr nahe an Deutschland und der Schweiz. Allerdings reden wir hier von einer Zeit vor modernen Nationalstaaten, in der die Zugehörigkeit zu Adelsgeschlechtern viel wichtiger war. Die Stadt war damals seit etwa vier Jahrhunderten dem Hause Württemberg untertan. (Deshalb hat Montbéliard auch einen deutschen Namen, welcher jedoch peinlicherweise Mömpelgard lautet und daher wenig Verwendung findet.) Erst 1793 fiel die Stadt an Frankreich. Insofern ist die Frage, ob Cuvier Deutscher oder Franzose gewesen sei, mit einem klaren „Ja“ zu beantworten. Sein weiteres Leben sollte ihn jedoch in Richtung Frankreich führen, weil Französisch seine Muttersprache war.

Cuvier kam aus gutem Hause – sein Vater war Offizier – was damals wie heute der beste Garant für eine gute Ausbildung ist. Doch welche intellektuellen Höhen der junge Georges erreichen sollte, dafür bedurfte er auch einer gehörigen Menge an Begabung. Seine Mutter Anne Clémence Chatel war sehr in seiner Erziehung involviert und förderte ihn intensiv. Zusammen mit einer guten, teuren Schule sorgte dieser Einfluss dafür, dass Georges Cuvier bereits in jungen Jahren als sehr intelligent und schulisch erfolgreich auffiel.

Schon im zarten Alter von 10 Jahren soll er seine Begeisterung für Biologie und die Geschichte des Lebens entdeckt haben, als er das Werk Historiae Animalium verfasst von Conrad Gessner las (zu Deutsch in etwa Tierkunde, aber der Begriff „Tier“ war damals noch anders konnotiert als heute). Das Buch war in Cuviers Jugend schon über 200 Jahre alt und entsprach nicht gerade dem Stand des Wissens, unter anderem schildert es das Einhorn, wenn auch skeptisch, als reales Lebewesen. Insofern vermittelte es dem jungen Cuvier nicht gerade nützliches Wissen, weckte dafür aber seine Neugier.

Mit vierzehn Jahren ging er nach Stuttgart. Von 1784 bis 1788 studierte Cuvier dort an der Hohen Karlsschule. Als er dort ankam, sprach er noch keinerlei Deutsch, erlernte die Sprache jedoch innerhalb von nur neun Monaten gut genug, um am akademischen Leben teilzunehmen. Seine Studien in der Biologie führte er übrigens größtenteils privat neben seinem eigentlichen Studium durch – in den Vorlesungen erlernte er vor allem administrative Fächer wie Jura, Wirtschaft, Verwaltung usw.

Nachdem er 1788 seinen Abschluss geschafft hatte, war Georges Cuvier 19 Jahre alt und arbeitslos. Zu seinem Glück war er sehr begabt und umzugsbereit. Er wollte eh nach Frankreich zurückkehren, wo man seine Muttersprache sprach. Im Juli 1788 zog er in ein Schloss in der Normandie, um den Sohn eines Adeligen zu unterrichten. Der Rand Frankreichs war ein guter Wohnort zu dieser Zeit, auch wenn Cuvier das nicht hätte ahnen können. Denn 1789 brauch die Französische Revolution aus und der Terror suchte Paris heim. Die Regionen in Richtung der französischen Landgrenzen waren auch keine idealen Wohnorte, wollte die umliegenden Monarchien die Revolution doch durch militärische Einmischung umkehren.

In der relativen Ruhe der Normandie konnte Cuvier sich neben seiner Tätigkeit mit Fossilien befassen und deren Anatomie untereinander vergleichen. Darauf sollte er eine ganze Karriere aufbauen. 1795, als in die Hauptstadt mehr Ruhe eingekehrt war, konnte er gar nach Paris gehen und eine Stelle als Assistent des Professors für Tieranatomie am Jardin des Plantes erlangen. (Das ist ein großer botanischer Garten, der ein wenig wie eine Universität fungierte – solche Dinge gibt es in alten Hauptstädten.) Ab 1802 sollte er diesen Lehrstuhl übernehmen.

In den letzten Jahren des 18. Jahrhunderts hatte Georges Cuvier seine Leidenschaft für Fossilien mit seinen Kenntnissen in vergleichender Anatomie zusammengebracht und die Skelette von Fossilien mit aktuellen Lebewesen abgeglichen. Dabei gelang ihm ein Paukenschlag: Im Jahre 1800 veröffentlichte er seinen Artikel Abhandlung über lebende und fossile Elefantenarten (Französisch: Mémoires sur les espèces d’éléphants vivants et fossiles).

In diesem Werk konnte Cuvier etwas Revolutionäres belegen: Arten können aussterben.

Für Sie als Menschen des 21. Jahrhunderts mag das offensichtlich erscheinen, aber zu Cuviers Zeit war das alles andere als selbstverständlich. Viele dachten nicht, so etwas wie Artensterben könnte es geben, und das Thema wurde unter Wissenschaftlern heiß diskutiert. Klar, Fälle wie der Dodo wurden als Ausnahme gesehen, die die Regel bestätigten. Aber ein häufiges Aussterben ganzer Spezies konnten sich viele kaum vorstellen.

Das lag zunächst an religiösen Überzeugungen, so etwas könne es in Gottes Schöpfung nicht geben. Aber die Fossilienschätze der Welt machten es auch einfach sehr schwer, Belege für ausgestorbene Arten zu finden und diesen Streitfall zu lösen.

Wenn Sie in ein Museum gehen, dann mag es so wirken, als fände man regelmäßig Fossilien großer Landtiere. Aber das ist eine Illusion, die entsteht, weil Menschen selbst relativ große Landtiere sind und sich als solche mehr für andere große Landtiere interessieren. Wären Museen der Zuspruch ihrer Besucher egal und hielten sie sich an die Häufigkeitsverteilung, so bestünden Ausstellungen praktisch ausschließlich aus Fossilien kleiner Meereslebewesen.

Der einfachste Weg, für ein totes Tier zu versteinern, ist es, durch einen Schlammrutsch schlagartig von einer dicken Schicht Schlamm bedeckt und vom Sauerstoff abgeschirmt zu werden. Das passiert unter Wasser sehr viel leichter als an Land – aus dem ziemlich banalen Grund, dass der Meeresboden ständig nass ist. Deshalb sind Meereslebewesen abstrus überrepräsentiert unter den Fossilien.

Außerdem muss ein totes Tier komplett bedeckt werden und seine versteinerten Überreste sollte auch nicht durch geologische Aktivitäten über die Jahrmillionen zerbrechen, was bei kleinen, kompakten Lebewesen auch leichter ist. Deshalb sind die meisten Fossilien klein – von kleinen Tieren oder nur Bruchstücke.

All das ist schon heute der Fall und zu Lebzeiten Cuviers hatte man noch viel weniger Fossilien entdeckt. Auf Basis dieser Datenlage war ein Artensterben nur sehr schwer zu belegen. Der Ozean ist sehr groß und tief, da können kleine Lebewesen auch einfach übersehen werden.

Deshalb war Georges Cuviers Untersuchung von Elefantenknochen so gut geeignet. Ein kleiner Fisch mag noch irgendwo in der See existieren, obwohl wir ihn seit Jahren nicht gesichtet haben, aber niemand glaubt, ganze Elefantenherden könnten sich in irgendwelchen Nischen verstecken.

Nun konnte Cuviers anhand seiner vergleichenden Studien zeigen, dass Afrikanische und Indische Elefanten unterschiedliche Spezies sind, dass Mammuts eine andere Spezies waren und dass das Mastodon noch eine vierte. (Das Mastodon benannte er bei dieser Gelegenheit gleich, denn es hatte vorher noch keinen offiziellen Namen bekommen.) Zwei dieser Spezies gab es eindeutig nicht mehr – Arten konnte aussterben.

Georges Cuvier machte noch viele wichtige Beiträge zur Paläontologie. Er gilt gar als Vater der vergleichenden Paläontologie. Diese sind jedoch spezieller und für einen allgemeinen Artikel wie diesen unpassend. Seine Erkenntnis des Aussterbens halt jedoch bis heute nach. Sie bildete eine wichtige Grundlage für Charles Darwin, die Evolutionstheorie zu begründen. Sie ist die mentale Voraussetzung dafür, dass wir uns heute mit dem Artensterben befassen, welches wir durch unsere Umweltschäden verursachen.

Nicht umsonst ist „Georges Cuvier“ einer der 72 Namen, welche auf dem Eiffelturm verewigt wurden. Auch zu seinen Lebzeiten wurde Cuvier mit Ehrungen überhäuft.

1804 heiratete er Anne-Marie Duvaucel, eine Witwe mit vier Kindern, mit welcher er weitere vier Kinder zeugen sollte. (Besagte Dame war aus einem sehr makabren Grund Witwe: Ihr erster Ehemann war ein hoher Beamter im Königreich gewesen und während der Revolution mit der Guillotine enthauptet worden.)

Ihren zweiten Mann sollte sie erst deutlich später verlieren. Weil die Cholera damals noch nicht verstanden worden war, verstarb Cuvier an dieser Seuche – am 13. Mai 1832 in Paris.

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