Virginia Apgar, beinahe Neonatologin

Name: Dr. Virginia Apgar

Lebensdaten: 7. Juni 1909 in Westfield, New Jersey bis 7. August 1974 in Manhattan, New York

In aller Kürze: Virginia Apgar entwickelte den Apgar-Index, nach dem die Gesundheit von Neugeborenen eingeschätzt wird.

Im Detail: Manchmal kann es nützlich sein, etwas zu messen und nicht bloß abzuschätzen. Deshalb muss die Polizei Ihr Tempo tatsächlich messen, um Ihnen einen Strafzettel fürs Rasen zu geben. Leider gibt es Gebiete, in denen ein genaues Messen nicht so einfach geht.

Die Gesundheit eines Neugeborenen einzuschätzen, ist so ein Bereich. Schließlich kann man nicht einfach ein Gesundheitsmeter anschließen, um die Gesundheit als Zahlenwert zu bekommen. Trotzdem ist es sehr wichtig, vergleichbare Zahlen zu bekommen, um sicher einschätzen zu können, ob das Baby zu seiner Mama kann oder behandelt werden muss. Und im letzteren Fall vor allem, wie dringend, schließlich haben Krankenhäuser nicht unendlich hohe Kapazitäten. Zum Glück entwickelte Virgina Apgar den Apgar-Index.

Als Apgar 1925 ihren High-School-Abschluss machte, wollte sie bereits Ärztin werden. Das war aber nicht ganz so leicht. Ihr ursprüngliches Ziel war die Chirurgenlaufbahn. Ihr Vorgesetzter Dr. Allen Whipple riet ihr jedoch davon ab, weil er viele Frauen in diesem Bereich hatte scheitern sehen. (So zumindest seine Position. Apgar stimmte ihm später zu, sah die Ursache übrigens bei den weiblichen Patientinnen, welche nicht von einer anderen Frau operiert werden wollten.) Er empfahl ihr daher die Karriere als Anästhesistin, weil er ihre „Energie und Fähigkeiten“ dort besser aufgehoben sah. Außerdem sah er Fortschritte in der Betäubung als notwendiger Voraussetzung für Fortschritte in der Chirurgie. Somit wechselte Virginia Apgar in die Anästhesie.

1937 machte sie ihren Abschluss und übernahm bereits 1938 die Leitung der Anästhesie der Columbia-Universität für Ärzte und Chirurgen (englisch Columbia University College of Physicians and Surgeons). 1949 wurde sie als erste Frau dort Professorin. Ihren Abschluss als Master of Public Health machte Apgar geradezu als Nachreichung erst 1959. Neonatologin im engeren Sinne wurde sie tatsächlich nie, aber zu diesem damals wachsenden Feld konnte sie Wertvolles besteuern.

Virginia Apgar war eine brillante Ärztin, die große Erfolge feiern konnte. Ihre bekannteste Entwicklung war jedoch 1953 eher ein simples Konzept, das durch seine konsequente Durchsetzung revolutionär war: der Apgar-Index.

In den Jahrzehnten zuvor war die Kindersterblichkeit in den USA drastisch gefallen, doch in den ersten 24 Stunden nach der Geburt war sie konstant geblieben. Das Problem war einfach, das es kein gutes Entscheidungskriterium gab, ob ein Säugling Hilfe brauchte oder nicht. Gerade deswegen musste das neue Maß simpel und klar sein, sodass es in allen Kreissälen direkt eingesetzt werden kann.

Und das kann es. Das Konzept ist so simpel, dass es sowohl leicht beigebracht werden kann, als auch in den kritischen Momenten sofort aus dem Gedächtnis abgerufen werden kann. Egal wie nervös oder übermüdet die Hebamme ist, die Apgar-Skala kann sie immer anwenden.

Im Apgar-Index wird ein Neugeborenes nach fünf Kategorien eingestuft: Atmung, Puls, Grundtonus, Aussehen, Reflexe. Wie Sie sehen, ergibt das die Eselsbrücke APGAR – mit dem Nebeneffekt, dass vielen Leuten gar nicht bewusst ist, dass Apgar tatsächlich der Name der Erfinderin war und nicht nur die Abkürzung.

Eine Minute und noch einmal fünf Minuten nach der Geburt wird die Bestimmung durchgeführt. In jeder der fünf Kategorien bekommt das Neugeborene entweder 2 Punkte (alles gut), 1 Punkt (naja, hält sich) oder 0 Punkte (richtig Grund zur Sorge). Ein Säugling mit einem Index über 8 ist kerngesund, zwischen 5 und 8 gefährdet, unter 5 akut lebensgefährdet.

Bevor Dr. Apgar den Index vorstellte, hatte sie ihn an über 1000 Neugeborenen getestet.

Dass Virginia Apgar gerade diese fünf Punkte gewählt hatte, war übrigens kein Zufall – genau an diesen maßen die Anästhesisten den Zustand ihrer Patienten. Insofern war es vielleicht gerade eine Anästhesistin, die die Neonatologie aufwerten konnte.

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