Mary Anning, übersehene Paläontologin

Name: Mary Anning

Lebensdaten: 21. Mai 1799 in Lyme Regis, England bis 9. März 1847 ebenda

In aller Kürze: Die Paläontologie verdankt viele ihre Fundstücke und auch wichtige Erkenntnisse einer Frau, die ihr ganzes Leben an einem Ort verbrachte und ihre Familie über Wasser hielt, indem sie am Strand nach Fossilien suchte. Andere machten mit ihren Funden und Einsichten Karriere, auch weil Anning als Frau in den Universitäten nicht erwünscht war.

Im Detail: Im Englischen gibt es einen sehr berühmten Zungenbrecher:

She sells seashells on the seashore

The shells she sells are seashells, I’m sure

So if she sells seashells on the seashore

Then I’m sure she sells seashore shells.

(Deutsch: Sie verkauft Muscheln am Strand,

die Schalen, die sie verkauft, sind Muscheln, ganz sicher.

Wenn sie also Muscheln am Strand verkauft,

bin ich mir sicher, dass sie Strandmuscheln verkauft.

In etwa so, der Text enthält unübersetzbare Wortspiele.)

Wenigen Leuten ist klar, dass es um eine reale Person geht, die die Paläontologie in vielen Bereichen weiterbrachte.

Mary Anning wurde am 21. Mai 1799 in Lyme Regis in England in sehr ärmliche Verhältnisse geboren. Ihr Vater war Tischler, der als weiteres Einkommen Fossilien an den Klippen der Küste sammelte. Lyme Regis liegt direkt am Ärmelkanal, das Haus der Familie Anning so nahe am Wasser, dass es immer wieder überflutet wurde und die Familie fliehen musste, um nicht zu ertrinken.

Der Ort hatte sich aber auch zu einem beliebten Reiseziel entwickelt. Und die Touristen kauften gerne Fossilien als Andenken. Das war für die Einwohner eine gute Einkunft, denn die Klippen enthielten (und enthalten) jede Menge Fossilien aus der Jura-Zeit. Die reißenden Wasser der See tragen die Klippen immer weiter ab, sodass ständig neue Fossilien freigelegt werden. Man sollte sich davon aber nicht täuschen lassen. Das war immer eine brauchbare Einkunft, aber reich wurde davon niemand und die Familie Anning gehörte zu den besonders Armen. In einer Zeit, in der die Ärmsten ein schweres Leben hatten, denn als Folge der Napoleonischen Kriege hatte sich der Preis von Weizen in Großbritannien fast verdreifacht.

Mary war eins von zehn Kindern, die ihren Eltern geboren wurden, aber nur sie und ihr Bruder Joseph überlebten bis ins Erwachsenenalter. Solche Kindersterblichkeiten waren damals normal unter den Armen Englands. Mary wurde gar nach einer älteren Schwester benannt. Jene Mary war zuvor bei einem Unfall mit Feuer verstorben.

Als Mädchen aus armem Hause erhielt sie nur eine sehr knappe Schulbildung, die kaum über Lesen und Schreiben hinausging. Als ihr Vater 1810 im Alter von 44 Jahren verstarb (Mary war 11), war die Familie verschuldet und musste um Armenhilfe bitten.

Um sich über Wasser zu halten, sammelten die Annings immer fleißiger Fossilien. Nicht nur Mary, auch ihre Mutter und ihr Bruder waren sehr geübt und erfolgreich darin. Der Verkauf dieser Funde brachte zumindest genug Geld ein, um über die Runden zu kommen.

Gerade Mary erlangte eine wahre Meisterschaft darin. Mit ihrem Hund Tray war sie regelmäßig auf den Klippen und brachte spektakuläre Funde mit zurück. Aber es war auch eine sehr riskante Arbeit, bei der man immer wieder in Lebensgefahr geriet. Im Oktober 1833 bspw. konnte Mary Anning einem Landrutsch nur knapp entkommen, der ihren Terrier begrub und tötete.

Anning erarbeitete sich nach und nach einen großen Ruf unter den Naturforschern der Welt. Diese kauften nicht nur ihre Funde, sondern griffen auch zunehmend auf ihr Wissen zurück. Die intelligente Frau hatte sich im Selbststudium in die Forschung eingelesen und konnte die Funde dann oft besser interpretieren und einordnen als die Fachleute, die sich mit ihren Ergebnissen rühmen konnten.

Sie selbst wurde wenig gewürdigt. Denn als Frau, erstrecht aus armem Hause, hatte Anning in der akademischen Forschung praktisch keinen Platz. Zu jener Zeit durften Frauen in Großbritannien nicht wählen, keine Ämter innehaben, und auch nicht studieren. Die Geologische Gesellschaft Londons ließ keine weiblichen Mitglieder zu. Trotzdem gab es immer wieder Forscher, die ihren Beitrag würdigten und sich auch darum bemühten, dass sie zumindest etwas Geld für ihre Leistungen bekam.

Denn Mary Annings Beiträge zur Paläontologie lassen sich sehen. Sie fand Ichthyosaurierskelette, die vollständig genug waren, dass sie als zuvor unbekannte Tiergruppe identifiziert wurden. (Bis dahin hatte man die Fossilien meistens Krokodilen zugeordnet.) Auch die Entdeckung der Plesiosaurier geht auf Annings Funde zurück. Sie fand einen Flugsaurier und der veröffentlichende Wissenschaftler, William Buckland, war ehrlich genug, Annings Leistungen anzuerkennen. Mary Anning entdeckte noch weitere Fische und Weichtiere.

Besonders wichtig war aber ihre Arbeit mit Koprolithen. Im Gegensatz zu ihren anderen Beiträgen stehen die Chancen schlecht, dass Sie von Koprolithen je hörten. Diese Funde sind ein wenig unappetitlich, denn es handelt sich um versteinerten Kot. Das klingt vielleicht zunächst wenig beeindruckend, aber Koprolithe lassen viele Schlüsse auf die Tiere zu, die sie hinterlassen haben. Man kann in ihnen nicht nur finden, was die Tiere aßen, man findet auch einfach sehr viele von ihnen. Ein Wirbeltier hinterlässt maximal ein Skelett, aber kann jede Menge Kot in seinem Leben hinterlassen.

Und Mary Anning zeigte hier, dass sie nicht nur Skelette finden konnte, sondern Paläontologie verstand. Sie erkannte, was die seltsamen Steine überhaupt waren und konnte William Buckland (wieder ihn) davon überzeugen.

All diese Erfolge wurden ihr selten anerkannt und in finanzielle Sicherheit setzten sie sich auch selten um. Das war allerdings nicht nur die Schuld der Akademia. Anning wurde nie reich, aber sie konnte schon einige Einnahmen erzielen. Doch dann nahm das Interesse an Fossilien aus ihrer Heimat ab und sie investierte ihr Erspartes auch noch falsch. William Buckland stellte sicher, dass sie vom Staat immerhin eine kleine Rente für ihre Verdienste bekam. Doch am Ende verstarb eine der größten Paläontologinnen ihrer Zeit in Armut – im Alter von 47 Jahren an Brustkrebs.

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