Namen: Johann Esser, Rudolf Goguel und Wolfgang Langhoff
Lebensdaten Esser: 10. April 1896 in Wickrath bis 2. September 1971 in Moers
Lebensdaten Goguel: 21. April 1908 in Straßburg bis 6. Oktober 1976 in Ost-Berlin
Lebensdaten Langhoff: 6. Oktober 1901 in Charlottenburg bis 25. August 1966 in Ost-Berlin
In aller Kürze: Johann Esser, Rudolf Goguel und Wolfgang Langhoff schrieben als Häftlinge des Nazi-Konzentrationslagers Börgermoor das Protestlied die Moorsoldaten.
Im Detail:
„Wohin auch das Auge blicket,
Moor und Heide nur ringsum.
Vogelsang uns nicht erquicket,
Erlen stehen kahl und krumm.
|: Wir sind die Moorsoldaten
und ziehen mit dem Spaten
ins Moor. :|“
Das ist die erste Strophe der Moorsoldaten, eines international bekannten Protestliedes. Geschrieben wurde es von drei Häftlingen des nationalsozialistischen Regimes.
Johann Esser, Rudolf Goguel und Wolfgang Langhoff waren Gewerkschafter und Kommunisten, aber ansonsten hatten sie eher wenig gemein. Esser war zwar Freizeit-Dichter, hatte aber als Bergmann doch einen sehr anderen Broterwerb als der Schauspieler und Regisseur Langhoff. Trotzdem schrieben sie beide zusammen den Text. Rudolf Goguel war Werbefachmann und KPD-Mitglied, trat hier aber als Komponist auf und schrieb die Musik. Wie verquer diese Zusammenstellung ist, zeigt bereits, wie wahnwitzig die politischen Verhältnisse waren, die diese drei Männer zusammenbrachten.
Kaum ein halbes Jahr nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten, ließen die Nazis die ersten politischen Gefangenen in Straflager deportieren. Zu den ersten Lagern gehörte auch das Emslandlager KZ Börgermoor. Dort wurden in einer ersten Welle vor allem Kommunisten und Sozialdemokraten als Regimegegner inhaftiert und mussten Zwangsarbeit leisten, um das Moor zu kultivieren und Torf zu stechen. Zu diesen Opfern der Gewalt gehörten eben auch Johann Esser, Rudolf Goguel und Wolfgang Langhoff.
In diesen frühen Tagen des NS-Regimes waren Konzentrationslager bereits grausam, aber bei weitem nicht so unmenschlich wie die Vernichtungslager späterer Jahre. So konnten die Häftlinge eine Art Theater veranstalten, das sie scherzhaft Zirkus Konzentrazani nannten. Am 27. August 1933 führten dabei 16 Gefangene das Lied die Moorsoldaten zum ersten Mal auf.
Es war ein sofortiger Erfolg, auch deshalb, weil sich sogar die SS-Leute angesprochen fühlten. Zitat von Goguel: „Von Strophe zu Strophe steigerte sich der Refrain, und bei der letzten Strophe sangen auch die SS-Leute, die mit ihren Kommandanten erschienen waren, einträchtig mit uns mit, offenbar, weil sie sich selbst als ‚Moorsoldaten‘ angesprochen fühlten.“
Es ist sicherlich verzeihlich das zu verdammen, dass sich hier die Täter als Opfer fühlten. Aber die Macht dieses Protestliedes liegt auch darin, wie es aufzeigte, dass selbst diejenigen, die der Nationalsozialismus angeblich an die Spitze der Welt bringen sollte, von Anfang an auch unter ihm zu leiden hatten. Häufig denken wir über die regimetreuen Opfer der Nazis erst in Folge von Kriegstoden, aber der Wahnwitz dieser Ideologie zeigte sich schon 1933. Die SS-Leute, die über die Häftlinge wachten, hatten zwar nicht selbst mit den Spaten zu schuften – aber in glühender Sonne im Moor stehen zu müssen, war auch nicht gerade die heilsbringende Erlösung der angeblichen Herrenmenschen.
Wie beliebt es bei den SS-Leuten im Lager war, zeigt sich auch daran, dass sie den Häftlingen immer wieder befahlen, es bei der Arbeit zu singen. Und das, obwohl die Moorsoldaten eigentlich schon am 29. August von der Lagerleitung verboten worden war.
Durch entlassene Häftlinge und verlegte Gefangene wurde das Lied auch außerhalb des KZ Börgermoor bekannt. 1935 kam es bereits nach London, wo der Komponist Hanns Eisler es übernahm und die Melodie überarbeitete. (Ob diese Überarbeitung eine Verbesserung war, ist übrigens fragwürdig. Das Lied wird dadurch melodischer, aber klingt auch fröhlicher, was nicht so ganz dem Ziel entsprechen mag.)
Von dort kam es während des Spanischen Bürgerkriegs nach Spanien, in dem die Internationalen Brigaden versuchten, die Spanische Republik gegen den (von Deutschland unterstützten) Faschisten Francisco Franco zu verteidigen. Dadurch wurde die Moorsoldaten auch international bekannt. Heute gibt es über 500 Versionen dieses Liedes in einer Vielzahl von Sprachen. Es ist für viele zum Symbol der Ausbeutung durch die Faschisten geworden.
Bezeichnend ist auch, dass wir es überhaupt haben. Denn es konnte sich nur verbreiten, weil aus den frühen Konzentrationslagern Häftlinge auch irgendwann wieder freikamen. Insofern ist das Lied natürlich auch eine Vorahnung von den Vernichtungslagern, aus denen uns wenig überliefert wurde, weil die meisten ihrer Insassen ermordet wurden.
Johann Esser wurde auch nach seiner Entlassung aus dem Lager immer wieder verhaftet und drangsaliert, konnte keine Anstellung finden und lebte in Armut. Nach dem Zweiten Weltkrieg blieb er Gewerkschaftler, kehrte sich aber vom Kommunismus ab. Er starb 1971 in Moers, im Alter von 75 Jahren.
Rudolf Goguel ging direkt nach seiner Entlassung 1934 in den Untergrund und arbeitete heimlich für die KPD. Er wurde sehr schnell wieder verhaftet und zu zehn Jahren Haftstrafe verurteilt, die er bis 1944 absaß. Nach seiner „Freisetzung“ kam er umgehend in „Schutzhaft“ ins KZ Sachsenhausen, bis dieses im Mai 1945 evakuiert wurde. Die Nazis mussten vor den britischen Truppen fliehen und die Häftlinge wurden in Lübeck auf Schiffe verladen. Diese Flotte voller Häftlinge wurde umgehend von der britischen Luftwaffe bombardiert, die ja nicht wissen konnte, was für Leute an Bord waren. Goguel gehörte zu den wenigen Überlebenden. Nach dem Krieg ging er erst in die französische Besatzungszone, zog dann 1952 nach Ost-Berlin und arbeite am Deutschen Institut für Zeitgeschichte (DIZ). Er verstarb 1976 im Alter von 68 Jahren in Ost-Berlin.
Wolfgang Langhoff wurde 1934 entlassen und floh noch im selben Jahr in die Schweiz. Sein Buch von 1935 über seine Erlebnisse im Lager wurde ins Englische übersetzt und gehörte zu den ersten Berichten über die Brutalität der Nazis, die international rezipiert wurde. Schon 1945 kehrte Langhoff in das zerbombte Deutschland zurück und wurde kurz Generalintendant des Düsseldorfer Schauspielhauses. Aber auch für ihn ging es schon 1946 nach Ost-Berlin und dort hatte er eine Karriere als Leiter des Deutschen Theaters, wobei seine Kunst für die SED-Führung nicht immer bequem war. Er starb 1966 im Alter von 64 Jahren in Ost-Berlin.
Es ist vielleicht ein winziges Stückchen Gerechtigkeit, dass alle drei Moorsoldaten älter wurden als Adolf Hitler, der sich im Altern von 56 Jahren das Leben nahm, weil sein brutaler Krieg gescheitert war.