Name: Heinrich Wilhelm Matthias Olbers
Lebensdaten: 11. Oktober 1758 in Arbergen bei Bremen bis 2. März 1840 in Bremen
In aller Kürze: Heinrich Wilhelm Olbers formulierte das Olbers’sche Paradoxon. Er fragte, warum es eigentlich nachts dunkel sei, und zeigte damit, dass das Universum nicht unendlich groß und unendlich alt sein kann.
Im Detail: Manche Fragen scheinen völlig banal, entwickeln im richtigen Kontext aber plötzlich große Schlagkraft. Heinrich Wilhelm Olbers stellte eine solche Frage, die als das Olbers’sche Paradoxon in die Geschichte der Astronomie einging: „Warum ist es nachts dunkel?“
Heinrich Wilhelm Olbers war fast lebenslang Bremer. Zwar wurde er 1758 in Arbergen als achtes von sechszehn Kindern eines Pastors geboren, die Familie zog aber schon 1760 nach Bremen, wo Olbers große Teile seines Lebens verbringen sollte.
Bloß sein Studium führte ihn für ein paar Jahre nach Göttingen, wo er einen doppelten Lebensweg aufnahm: hauptberuflich Arzt, mit großem Eifer Hobbyastronom. Olbers studierte Medizin, besuchte aber auch astronomische Vorlesungen.
Nach seiner medizinischen Doktorarbeit über das menschliche Auge zog er zurück nach Bremen. Dort führte Heinrich Wilhelm Olbers bis zu seinem Ruhestand eine Arztpraxis. Dieser gutbürgerliche Teil seines Lebens war wenig spektakulär: Er war zweimal verheiratet, überlebte jedoch beide Ehefrauen und war am Ende somit doppelter Witwer. Er hatte eine Tochter namens Henriette Marie Dorothea, welche ebenfalls vor ihm starb, und einen Sohn namens Georg Heinrich, der ihn deutlich überlebte. Heinrich Wilhelm Olbers verstarb im Alter von 81 Jahren. Alles in allem nicht gerade legendär.
Bedeutend sind dagegen seine Beiträge zur Astronomie. Schon als Medizinstudent beobachtete er einen Kometen, während er nachts über einen Patienten wachte, und entwickelte eine Methode zur Bahnbestimmung, die bis heute Anwendung findet. Olbers beobachtete allgemein eine Vielzahl von Kometen, was ihm unter anderem deshalb möglich war, weil er nachts gut wach sein konnte. Einigen Berichten zufolge reichten ihm vier Stunden Schlaf die Nacht. Dabei entdeckte er mehrere Kometen und zwei wichtige Asteroiden im Asteroidengürtel (Pallas und Vesta). Er wurde in mehrere astronomische Gesellschaften als Mitglied aufgenommen.
Heute ist Heinrich Wilhelm Olbers Astronomen vor allem wegen des Paradoxons bekannt, welches er formulierte und das nach ihm benannt ist: „Warum ist es nachts dunkel?“
Um zu verstehen, warum das eine bahnbrechende Frage war, müssen wir uns einmal verdeutlichen, was die Astronomen seiner Zeit über das Universum glaubten. Die meisten Astronomen damals dachten, das Universum wäre unendlich groß und unendlich alt. Die meisten glaubten außerdem, der christliche Gott hätte es vor einiger Zeit irgendwann erschaffen. Das klingt wie ein Widerspruch, ist es aber nicht, denn die Annahme war, Gott hätte das Universum sozusagen im laufenden Betrieb erschaffen. Bspw. hätte das Licht von entfernten Sternen sich nicht erst zu uns auf den Weg machen müssen, sondern wäre bereits auf dem Weg zu uns erschaffen worden. Für den Beobachter sieht ein solches Universum aus, als wäre es unendlich alt.
Das hat als Hypothese den wundervollen Vorteil, dass es die Frage nach dem Anfang des Universums völlig unnötig macht. Wenn das Universum schon ewig existiert (oder zumindest so wirkt), dann ergibt jene Frage einfach keinen Sinn. Das war nicht bloß aus Sicht der Physik elegant, weil man dann keinen Mechanismus für die Entstehung des Alls brauchte; es kam auch der Religion sehr entgegen, weil man dann Gott nicht darin einschränken musste, wie genau er die Welt erschaffen habe. Zumal man damals auch noch keinerlei Beobachtungen kannte, die auf einen Anfang des Universums hingedeutet hätten. Das Universum ist einfach so alt (13,8 Milliarden Jahre), dass es für die damaligen Astronomen mit ihren damaligen Mitteln unendlich alt aussah.
Des Weiteren dachte man, das Weltall sei unendlich groß, weil man auch mit den besten Teleskopen keinen Rand hatte ausmachen können. Und analog zum unendlichen Alter schafft dieser Ansatz natürlich auch die Frage ab, ob hinter diesem Rand noch irgendwas anderes existieren mag.
Es überwindet also jede Menge Schwierigkeiten, anzunehmen, das Universum wäre unendlich groß und unendlich alt. Dieses Modell hat aber selbst ein ganz erhebliches Problem, welches Heinrich Wilhelm Olbers aufbrachte und welches nach ihm als Olbers’sches Paradoxon bezeichnet wird: Wäre das Universum unendlich groß und unendlich alt, sollte es nachts nicht dunkel sein. Denn dann hätte das Licht aller Sterne im All Zeit genug gehabt, bis zu uns zu kommen. Und weil es eben unendlich viele Sterne gäbe, müsste der Blick auf jeden Punkt am Nachthimmel auf einen Stern fallen. Das Universum kann also nicht grenzenlos sein und schon immer existiert haben.
Nicht einmal Olbers selbst erkannte die ganze Schlagkraft seines Paradoxons. Er dachte, es müsse einfach große Dunkelwolken (z. B. Staubnebel) geben, die das Licht auf seinem Weg absorbierten. Das kann aber nicht sein, denn in einem unendlichen alten Universum wären diese Wolken durch das Licht der Sterne dahinter solange aufgeheizt worden, bis sie ebenso hell glühten.
Nein, das Olbers’sche Paradoxon war unser erster Hinweis auf das, was im 20. Jahrhundert in der Urknalltheorie mündete. Es zeigt, dass das Universum nicht in Zeit und Raum unendlich sein kann. Deshalb ist es nachts dunkel.
Damit das Argument Sinn ergibt, reicht es aber nicht aus, anzunehmen, dass das Universum unendlich groß und unendlich alt sei. Man müsste zusätzlich davon ausgehen, dass es unendlich viele Sterne gibt – oder jedenfalls genug, damit man keine Lücken mehr zwischen ihnen erkennen kann. Das ist aber kein zwingender Schluss aus der Annahme, das Universum sei unendlich groß. Gott hätte ja auch einfach nur genau so viele Sterne schaffen können, wie es von der Erde aus sichtbare Sterne gibt.
Selbst wenn man annähme, dass es unendlich viele Sterne gäbe, wäre Olbers‘ Schluss immer noch nicht zwingend. Zwar erreicht das Licht eines unendlich weit entfernten Sterns trotz der begrenzen Lichtgeschwindigkeit in unendlich langer Zeit zwingend die Erde. Jedoch kann es genauso gut sein, dass ein Großteil der unendlich vielen Sterne (also fast alle) ihre Leuchtkraft verloren hatten, als Gott sie schuf, oder dies jedenfalls zwischen der Erschaffung und der heutigen Beobachtung taten. Gegenteilig könnte Gott ja auch Sterne geschaffen haben, deren Licht uns einfach noch nicht erreicht hat, um die wir also nicht wissen können.
Hingegen halte ich die Thesen, das Universum sei unendlich alt, gleichzeitig aber vor einiger Zeit erschaffen worden, für in sich widersprüchlich. Wenn es vor einiger Zeit erschaffen wurde, ist es genau so alt, wie viel Zeit zwischen jetzt und der Erschaffung vergangen sind. Nur, weil für uns nicht erkennbar ist, ob das Universum tatsächlich unendlich alt ist, oder Gott es nur so schuf, als sähe es für uns so aus, heißt das nicht, dass beides miteinander vereinbar ist. Es gibt einen Unterschied zwischen einem unendlich alten Universum und einem Universum, das so scheint, als sei es unendlich alt.
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Hier scheint mir ein Widerspruch vorzuliegen zwischen dem, was logisch möglich wäre, und dem, was empirisch durch Beobachtungen indiziert ist.
Natürlich ist ein unendlich großes Universum denkbar, welches endlich viele Sterne enthält und weiter draußen etwas anderes. Aber damals hatte man noch keinerlei Beobachtungen von Universum ohne Sterne. (Heute ist das ein wenig anders. Zwar ist das beobachtbare Universum bis zu seinem Rande mit Sternen angefüllt, aber wir sehen dazwischen riesige Leerräume. Zu Olbers‘ Zeiten wusste man das noch nicht und wir erfuhren es auch erst, als die Expansion des Universums bereits bekannt war.)
Dasselbe Problem hatten natürlich Olbers‘ Zeitgenossen, als sie annahmen, das Universum wäre endlich alt, sähe nur unendlich alt aus. Das ist rein logisch möglich. Rein logisch wäre es möglich, dass das Universum erst begann, als ich diese Antwort schrieb. Ich hätte ja auch mit meinen (falschen) Erinnerungen zusammen erschaffen worden sein können. Nur ist dies eben genauso wenig durch Beobachtungen belegt wie die Annahme, das Universum sei bloß ein paar tausend Jahre alt. Oder wie zu Olbers‘ Zeiten die Annahme, es gäbe Universum ohne Sterne darin.
Am Ende gilt der Sagan-Standard: „Außergewöhnliche Behauptungen erfordern außergewöhnliche Belege.“
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Indiziert scheint für mich durch die nächtliche Dunkelheit wohl eher zu sein, dass es eine ganze Menge an Platz zwischen den Sternen gibt. Das mag man damals anders gesehen haben, es steht aber zu meiner Feststellung nicht im Widerspruch. Wenn ich meine, dass man eine zusätzliche Annahme treffen muss, und diese Annahme auch tatsächlich getroffen wurde, ist das ja eher eine Bestätigung.
Natürlich ist es logisch möglich, dass das Universum endlich alt ist, aber unendlich alt wirkt. Aus dem Artikel hatte ich aber den Eindruck gewonnen, dass die Astronomen damals tatsächlich von einem gleichzeitig unendlich und endlich alten Universum ausgingen. Dieser Widerspruch lässt sich auch nicht durch die Annahme auflösen, das Universum sei im laufenden Betrieb erschaffen worden.
Ich denke, dass es bezüglich der Frage des Alters des Universums wichtig ist, den Aspekt der Beweisbarkeit und den Aspekt der objektiven Wirklichkeit zu trennen.
Rein objektiv betrachtet schließen sich die Aussage, das Universum sei unendlich alt, und die Aussage, das Universum sei endlich alt (da vor einiger Zeit erschaffen) gegenseitig aus. Das Alter des Universums kann nicht gleichzeitig endlich und unendlich sein.
Ob es nun beweisbar ist, dass das Universum tatsächlich unendlich oder endlich alt ist, spielt hierfür keine Rolle. Daher ist auch ein möglicher Zeitpunkt der Erschaffung (wann auch immer er sein mag) unerheblich.
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In einem unendlich großen und unendlich alten Universum löst die Menge des Platzes zwischen den Sternen das Problem tatsächlich nicht. Der Grund, warum Sterne immer dunkler werden, je weiter sie weg sind, liegt darin, dass wir einen immer kleineren Raumwinkel von der Emission abkriegen. (Die Hubble-Rotverschiebung war Olbers ja noch nicht bekannt.) Doch egal wie weit ich einen Stern weglege, die gerade Linie seines Lichts träfe uns immer noch. Und bei unendlich vielen Sternen wäre das immer noch der gesamte Himmel erleuchtet. Klingt seltsam, kann man aber rechnerisch bestätigen. Unendlichkeit ist leider oft unintuitiv.
Ich hatte auch nie behauptet, ich selbst glaubte, das Universum sähe nur so alt aus, wie es aussieht. Ich berichte nur, dass das zu Oblers‘ Zeiten viele Leute glaubten, die eben sowohl Astronomen als auch Christen waren. Plausibel finde ich das auch nicht, aber das war ja auch nicht das Thema des Artikels.
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Warum sollte die Anzahl der Sterne und deren Licht im Moment unseres Lebens unendlich sein? Diese Anzahl ist genau definiert, auch wenn wir die Anzahl nicht kennen können. Deshalb gibt es (unbekannt große) Lücken zwischen einer unbekannter Anzahl von Sternen und somit ist der Nachthimmel dunkel und das Licht anderer Sterne geht an uns vorbei, solange wir keine Teleskope haben, die unendlich in den Raum schauen können
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Wenn das Universum unendlich groß UND alt wäre, dann bräuchten wir eben keine unendlichen guten Teleskope. Das Licht hätte es auch so zu uns geschafft.
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