Name: Töregene Khatun
Auch bekannt als: Töregene Hatun oder Chatun
Lebensdaten: ca. 1185 bis 1247 (Ortsangaben sind keine bekannt und ergeben bei einem ziehenden Reitervolk auch wenig Sinn.)
In aller Kürze: Als „Ehefrau“ von Ögedei Khan, dem Sohn von Dschingis Khan und zweitem Großkhan des Mongolenreichs, wurde Töregene Khatun nach dessen Tod 1242 Regentin des Reiches – bis 1246 ihr Sohn Güyük der neue Großkhan wurde. Damit könnte Sie die mächtigste Frau der Geschichte gewesen sein.
Im Detail: Das größte Landreich aller Zeiten war das Mongolenreich, von Dschingis Khan 1190 gegründet, zerbrach es schon 1260 wieder. Alle vier offiziellen Herrscher der Mongolen waren Männer, aber von 1242 bis 1246 hatte es eine Regentin: Töregene Khatun, wie der Name schon sagt. Analog zu Khan, was kein Nachname ist, sondern „Herrscher“ bedeutet, ist auch Khatun ein Titel: die weibliche Form „Herrscherin“.
(Die Transliteration ihres Nachnamens, der eigentlich ein Herrschertitel ist, fiel dem Autor dieses Textes nicht leicht. Der Konsonant am Anfang spricht sich eigentlich eher wie das CH in „Achtung“. Das gilt allerdings auch für den Anfang des Wortes „Khan“, welches im Deutschen für gewöhnlich mit K geschrieben und gesprochen wird. Den Titel Töregenes mit Chatun zu transliterieren, hätte daher bedeutet, dass man die Analogie zu Khan nicht mehr sieht. Oder man müsste Dschingis Khan korrekter „Tschingis Chan“ schreiben, was unnötig verwirrend scheint. Insofern bleiben wir bei Khatun und Sie lesen es bitte „Chatun“.)
Die Details von Töregenes Leben sind leider sehr schlecht dokumentiert. Das Mongolische hatte damals erst seit kurzem überhaupt eine Schrift. Und die Geschichte der Herrscher wurde von den Mongolen auch bevorzugt geheim gehalten. So wissen wir von Dschingis Khan nicht, wo er begraben wurde oder wie er aussah. Auch von Töregene Khatun ist kein zeitgenössisches Bildnis überliefert, weshalb sie oben eine abstrakte Abbildung bekommen hat. (Das Symbol für Frau und der Kranz als Zeichen der Herrschaft sind dabei natürlich westlich und nicht mongolisch, aber das Bild sollte für deutsche Leser sofort verständlich sein.)
Töregene kam aus dem Reiterstamm der Merkiten. Sie gehörte einer christlichen Splittergruppe namens Nestorianer an, die im Oströmischen Reich schon 553 für Häretiker erklärt worden waren, aber in den Steppengebieten durchaus verbreitet waren.
Die Merkiten wurden 1204 von Dschingis Khan erobert. In Folge dessen wurde die junge Töregene Dschingis’ Sohn Ögedei als „Ehefrau“ übergeben. „Ehefrau“ steht hier aus gutem Grunde in Anführungszeichen. Ohne ein Urteil über die Polygamie der Mongolen fällen zu wollen, ist nicht abzustreiten, dass die „Ehefrauen“, die sich die mongolischen Eroberer nahmen, selten freiwillig in diese Verbindung eingingen. In dieser Kultur war die Grenze zwischen Ehefrau und Vergewaltigungsopfer erschütternd unscharf.
Dieser Umstand stellte auch ein großes Problem für das Reich dar. Das extrem schnell gewachsene Imperium hatte keine gesetzten Institutionen. Und die Nachfolge des Großkhans war von Anfang an wackelig. Dschingis Khan konnte keine Erbmonarchie etablieren, weil die Frau, die ihm seinen ältesten Sohn Dschötschi gebar, zuvor für kurze Zeit von den Merkiten entführt worden war. Die (biologische) Vaterschaft durch Dschingis war daher unklar. Dschingis versammelte damals rechtzeitig seine Söhne und sie einigten sich auf Ögedei als den Erben des Großkhans.
Während seiner Regentschaft designierte Ögedei keinen offiziellen Nachfolger, auch wenn er sich für seinen Enkel Shiremun aussprach. Dieses Versäumnis mag auch daran liegen, dass er unerwartet jung verstarb. Seine genauen Lebensdaten sind nicht bekannt, aber er wurde wohl höchsten 55 Jahre alt, als er nach zwölf Jahren Herrschaft aus dem Leben schied. Auch die sparsame, offizielle Geschichtsschreibung der mongolischen Herrscher gesteht offen ein, dass Ögedei in Folge seiner Alkoholsucht so überraschend früh verstarb. Damit war das größte Reich der Erde ohne Herrscher.
Den nächste Großkhan hätte ein Konzil namens Kurultai bestimmen sollen. Das konnte aber eine Weile dauern, weil dafür die Prinzen aus den Weiten des Reiterimperiums zusammenkommen und zu einem Entschluss kommen mussten. Töregene konnte sich die Unterstützung mehrerer Prinzen sichern und sich vorerst als Regentin des Reichs einsetzen.
Damit war Töregene Khatun vermutlich die mächtigste Frau aller Zeiten. Das Reich, welches sie regierte, erstreckte sich von Korea und Nordchina bis nach Russland. Tatsächlich war es den Mongolen ein paar Jahre zuvor gelungen, Russland im Winter zu erobern. Vor allem regierte Töregene ihr Reich auch tatsächlich. Es würde später noch größere Weltreiche geben, allen voran das britische, aber diese wurden nie von Frauen wirklich regiert. Königin Viktoria z. B. war die Monarchin eines riesigen Imperiums, aber die eigentliche Herrschaft lag zu ihren Lebzeiten längst beim britischen Parlament. Töregene hatte tatsächlich große Macht. Sie konnte Feldzüge befehlen und die ganze Schlagkraft der mongolischen Herrschaft auch innerhalb ihres Reichs zum Einsatz bringen. (Die mongolischen Herrscher waren unfassbar brutal und verübten mehrere Völkermorde. Ihre Opferzahl wird auf ca. 30 Million geschätzt.)
Nach ihrer Machtergreifung verzögerte die neue Khatun das Kurultai, das den neuen Khan bestimmen sollte, so gut sie konnte. Dadurch blieb sie nicht nur selbst länger an der Macht, sie konnte auch eine Mehrheit für ihren Sohn Güyük als nächsten Khan gewinnen. Ihre Mittel dafür sollten nicht mit modernem Wahlkampf verwechselt werden. Weil ihr „Ehemann“ Ögedei seinen Enkel Shiremun offen bevorzugt hatte, ließ sie Beamte verfolgen, die Ögedei treu waren. Mehrere mächtige Funktionäre mussten fliehen oder wurden hingerichtet. Die entlassenen Minister ersetzte Töregene durch Leute, die ihr hörig waren. (Die mächtigste Ministerin war übrigens ebenfalls eine Frau, eine Muslima namens Fatima.)
Hofintrige war aber bei weitem nicht der einzige Pfeiler von Töregenes Macht. Die Herrscher ihrer Vasallenstaaten hatten persönlich an ihrem Hof zu erscheinen und sich ihr zu unterwerfen, um den Zorn ihrer Armeen nicht zu riskieren. Um ihre Macht auch finanziell auszubauen, reformierte Töregene das Steuersystem, um mehr Steuern effizienter erheben zu können.
Im Jahre 1246 konnte Töregene endlich ein Kurultai einberufen, welches ihren Sohn Güyük zum neuen Großkhan des Mongolenreiches ausrief. Damit endete ihre Herrschaft. Vielleicht hätte sie noch durch ihren Sohn indirekt weiter Einfluss ausüben können, aber die beiden überwarfen sich, als Güyük die oben genannte Fatima wegen angeblicher Hexerei hinrichten ließ.
Schon 1247 verstarb die mächtigste Frau der Geschichte unter unklaren Umständen. Es gibt einige Spekulation, sie sei von politischen Gegnern vergiftet worden.
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