Caroline Hampton, führte den Schutzhandschuh für die OP ein

Name: Caroline Halsted (geb. Hampton)

Lebensdaten: 20. November 1861 bei Columbia, South Carolina bis 27. November 1922 (vermutlich) in Baltimore

In aller Kürze: Heute ist es völlig klar, dass chirurgisches Personal bei einer Operation Handschuhe trägt. Aber eingeführt wurden sie erst durch Caroline Hampton.

Im Detail: Obwohl Ignaz Semmelweis schon 1847/48 schilderte, wie Krankheiten durch Keime von Patientin zu Patientin übertragen werden können, sollte es überraschend lange dauern, bis jemand auf die Idee kam, bei einer Operation Schutzhandschuhe zu tragen, um sich und den Patienten vor Keimen zu schützen. Diese Lösung war geradezu ein Zufallsfund und geht auf die Krankenschwester Caroline Hampton zurück.

Caroline Hampton kam am 20. November 1861 in der Nähe der Stadt Columbia im US-Bundesstaat South Carolina zur Welt. Ihre Mutter spielte keine große Rolle in Carolines Leben, verstarb sie doch bereits 1862 an Tuberkulose. Auch ihr Vater sollte das Zeitliche segnen, als Caroline noch ein Kleinkind war – er fiel 1863 im Amerikanischen Bürgerkrieg.

Trotzdem landete sie nicht auf der Straße, denn sie kam aus wohlhabendem, einflussreichem Hause: Ihr Onkel war Wade Hampton III., ein wichtiger Staatsmann und Offizier. Im Bürgerkrieg hatte er auf der Seite der Südstaaten als General kommandiert. Diese Allianz mit einem Sklavenhalterstaat war kein Zufall, sondern Überzeugung. Seine spätere politische Karriere erst als Governor und später als Senator von South Carolina war geprägt von Gesetzesinitiativen, um die Unterdrückung der Farbigen zurückzubringen.

So gruselig das ist, für seine Nichte Caroline bedeutete diese Herkunft aus reicher, aber konservativer Familie, dass ihr viele Tore offenstanden, solange sie ihre Karriere artig in den Bahnen hielt, die für eine Frau vorgesehen waren.

Nachdem ihr Geburtshaus ebenfalls im Krieg niedergebrannt worden war, wurde die junge Hampton von drei Tanten großgezogen und umfassend auf ihre Rolle als Ehefrau und Mutter vorbereitet. Nach Vorstellung ihrer Familie sollte sie einen Plantagenbesitzer oder Ähnliches heiraten, Hauptsache reicher Patriarch.

Die Tochter entschied sich für eine Kombination aus beidem: Caroline Hampton nutzte ihr gutes Elternhaus und die solide Erziehung, um dann doch eine berufliche Karriere zu machen. Sehr zum Frust ihrer Familie begann die junge Frau 1885 eine Ausbildung als Krankenschwester. Schlimmer noch, sie ging dafür nach New York, in einen der verhassten Nordstaaten.

New York hatte bereits 1827 die Sklaverei abgeschafft, also 34 Jahre vor dem Bürgerkrieg. Das Gesetz dafür war sogar bereits 1817 beschlossen worden, hatte aber eine zehnjährige Übergangsfrist. Aus der Sicht moderner Menschen ist es natürlich himmelsschreiendes Unrecht, dass die Frage, ob man Menschen als Eigentum besitzen dürfe, dieselbe lange Übergangsfrist hatte wie eine deutsche Rechtschreibreform, aber für Hamptons Familie war die Abschaffung an und für sich widerlich und gotteslästerlich. (Wegen der biblischen Verse, die Sklaverei befürworten, sahen sich viele der Sklavenhalter als Umsetzer des göttlichen Willens.)

Trotzdem ging Caroline Hampton in diese Stadt und begann ihre Ausbildung, die sie bis 1888 abschließen sollte. Und Hampton war offenbar sehr qualifiziert in ihrem Job. Bereits ein Jahr nach ihrer Ausbildung, 1889, konnte sie eine Stelle als Haupt-OP-Schwester am Johns Hopkins Hospital in Baltimore bekommen. Das Krankenhaus ist heute renommiert, war aber erst in jenem Jahr errichtet worden. Insofern herrschte allgemein eine Stimmung des neuen Aufbruchs in der frischen Institution.

Bis zu diesem Zeitpunkt könnte man vermuten, Hamptons große Leistung in der Hygiene wäre eine Frage des proaktiven Infektionsschutzes gewesen, ein Zeichen von gutem Verständnis der Infektionswege. Manchmal wird es auch so dargestellt, eine Frau hätte ihre patriarchischen Wurzeln überwunden, um die Medizin zu revolutionieren.

Leider ist das echte Leben oft nicht so elegant. Hamptons Anreiz, sich Handschuhe anzuziehen, war zunächst rein kosmetischer Natur. Bei Operationen fließen jede Menge Wasser, Blut, Körpersäfte und Medikamente. Außerdem war ihr vorgesetzter Chirurg, ein Mann namens William Stewart Halsted, sehr auf Hygiene bedacht und forderte eine konsequente Handdesinfektion mit ziemlich aggressiven Mitteln. Hier zeigt sich, wie modern man in dem Krankenhaus dachte, denn das war damals leider noch keine Selbstverständlichkeit. Dieser Schutz der Patienten war jedoch auch belastend für das medizinische Personal.

Caroline Hampton hatte wohl recht empfindliche Haut, die von diesen Beanspruchungen trocken und gereizt wurde. Sie wollte daher bereits Ende 1889 wieder kündigen, aber ihr Chef war begeistert von ihren Fähigkeiten und wollte eine Lösung finden. Halsted schlug vor, sie solle sich die Hände mit einem speziellen Gel bedecken. Dies stellte sich in der Praxis jedoch als unpraktisch heraus.

Auf Vorschlag Hamptons kontaktierte Halsted den Gummihersteller Goodyear und bestellte spezielle Gummihandschuhe für seine Haupt-OP-Schwester an. Diese Lösung stellte sich als derart nützlich heraus, dass Hamptons Kollegen sie rasch übernahmen.

Bald stellte sich auch heraus, wie nützlich diese Handschuhe jenseits der kosmetischen Frage waren – durch die zusätzliche Barriere wurden nicht nur die Patienten, sondern auch die Ärzte und Schwestern vor Keimen weiter geschützt. Außerdem hat die Haut eine natürliche Schutzfunktion, die bei spröder Haut kompromittiert ist. Damit bildete die Gummischicht nicht bloß eine eigene Barriere, sie unterstützte auch den Erhalt der natürlichen Barriere der Haut. (Bis heute ist es daher Stand des Arbeitsschutzes, dass Leute, die mit Keimen und/oder Gefahrstoffen arbeiten, sich nach dem Händewaschen die Hände eincremen. Das ist auch aktuell kein rein kosmetisches Thema, sondern Teil des Arbeitsschutzes, um die Schutzfunktion der Haut zu erhalten.)

Es ist also auf Caroline Hampton zurückzuführen, dass heute in jedem Operationssaal Schutzhandschuhe getragen werden.

So revolutionär wie diese Leistung war, am Ende war Caroline Hampton dann doch noch recht patriarchisch eingestellt. Im Folgejahr heiratete sie ihren neun Jahre älteren Chef und wurde am 4. Juni 1890 zu Caroline Halsted. Und damit schied sie aus dem Beruf aus und wurde Hausfrau. Sie führte sowohl den Haushalt als auch eine kleine Farm.

Es ist wenig über ihr weiteres Leben überliefert. Wir wissen nur, dass sie lebenslang an Migräne litt. Außerdem ist belegt, dass ihre Ehe mit William kinderlos blieb, aber wohl sehr glücklich war. Laut einiger Aussagen passten die beiden gerade deshalb gut zueinander, weil sie auf dieselbe Weise skurril und exzentrisch waren – eine solide Grundlage für viele Ehen.

Caroline Halsted verstarb am 27. November 1922, etwa anderthalb Monate nach ihrem Mann. Den Ort konnte ich nicht ermitteln, aber da ihr Ehemann in ihrer Wahlheimat Baltimore starb, nehme ich an, dass das auch für Caroline gilt.

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