Name: Sir Hiram Stevens Maxim
Lebensdaten: 5. Februar 1840 in Sangerville, Maine bis 24. November 1916 in London
In aller Kürze: Hiram Maxim war ein genialer Tüftler, der in seinem Leben dutzende Erfindungen machte. Wichtig ist aber vor allem eine: Das Maschinengewehr, mit dem die Kolonialmächte riesige Gebiete unterwerfen konnten und welches das Gesicht des Krieges für immer verändern sollte.
Im Detail:
„Whatever happens, we have got
The Maxim gun, and they have not.“
(Deutsch in etwa: „Was auch passiert, wir haben / Das Maxim-Gewehr, und die anderen nicht.“)
Mit diesen Worten beschrieb der Autor Hilaire Belloc 1898 den Schlüssel der Europäer zur Unterwerfung Afrikas: das Maschinengewehr von Hiram Maxim.
Hiram Maxim wurde später Brite, kam aber als Amerikaner auf die Welt. Am 5. Februar 1840 wurde er in Sangerville, Maine geboren. Man kann nicht sagen, sein Weg zum Waffenhersteller wäre ein geradliniger gewesen. Ganz harmlos ging er mit 14 in die Lehre als Kutschenbauer. Erst zehn Jahre später gab ihm sein Onkel Levi Stephens eine Anstellung in seiner Maschinenwerkstadt in Fitchburg. Sangerville und Fitchburg liegen ca. 400 Kilometer auseinander, was nicht der letzte große Umzug Maxims für seinen Beruf bleiben sollte.
Maxim verschrieb sich bald der Erfinderkunst, wo er sich als wahrhaft (oder gruselig) begabt herausstellen sollte. Sein erster Gehversuch in diesem Feld – ein Dampfinhalator, weil Maxim lebenslang an Bronchitis litt – wurde als Quacksalberei abgetan. Er erfand auch eine Sprinkleranlage, um Brände zu verhindern, und konnte große Fortschritte bei den Glühbirnen erbringen. Aber wirklich wohlhabend wurde er trotz seinem Talent nicht. (Im Falle der Glühbirnen wurde er wohl von Thomas Edison über den Tisch gezogen.) Irgendwie kam er auf die Idee, stattdessen Waffen zu produzieren.
Was genau ihn dazu bewegte, darüber sollte Hiram Maxim später widersprüchliche Geschichten erzählen. Mal behauptete er, weil er für ein Gerät verlacht wurde, das heilen konnte, habe ihm die Welt gezeigt, dass sie nur Leute würdige, welche Tötungsmaschinen bauten. Zu anderen Gelegenheiten berichtete er, er habe einen amerikanischen Bekannten zufällig in Wien getroffen und jener habe ihm gesagt, die einzig wahr Methode reich zu werden, sei es, den Europäern besser Mittel zu verkaufen, einander umzubringen.
Dieses Treffen soll sich Anfang der 1880er kurz nach seinem Umzug nach Großbritannien ereignet haben, wo er dann auch sein Maschinengewehr entwickeln und herstellen sollte.
Ein Gewehr zu erfinden, welches sich selbst nachlud, war die Idee, die Hiram Maxim in der Tat reich machen sollte. Er wurde nicht bloß reich, sondern auch angesehen. Im Zeitalter des Imperialismus und Nationalismus galt Waffenerfindung als eine ruhmreiche Tätigkeit.

Als kleines Kind hatte Maxim ein Gewehr abgeschossen und war durch den Rückstoß umgeworfen worden. Seine erste Idee war daher, diese Kraft zu nutzen, um die nächste Patrone in den Lauf zu ziehen. Es blieb aber nicht dabei. Zwischen 1883 und 1885 patentierte er das Prinzip des Rückstoßladers, der Gasdruckladers und des Masseverschlusses. Diese Konzepte sind bis heute Usus bei automatischen Waffen: Eine Uzi ist z. B. ein Rückstoßlader, ein AK-47 ein Gasdrucklader.
Sein Gewehr war ein enormer Erfolg. Es wurde von der britischen Armee genauso gekauft wie von der französischen und der deutschen. Praktisch alle Kolonialmächte wurden von Maxims Fabrik beliefert.
Es sollte aber noch eine ganze Weile dauern, bevor die Europäer einander damit umbringen wurden, wie Maxims amerikanischer Freund angeblich vorgeschlagen hatte. Zunächst gingen die Großmächte mit diesen Tötungsmaschinen auf Afrikaner los.
Aus heutiger Sicht scheint die Unterwerfung Afrikas durch die Kolonialmächte sehr ähnlich derer Amerikas – außer dass es andere Kolonialmächte waren. Tatsächlich sah die Situation aber drastisch unterschiedlich aus. Der Hauptfaktor für die Eroberung Amerikas waren nicht etwa Waffen oder Geld, sondern Seuchen. In Amerika gab es keine Seuchen, auf dem afro-eurasischen Kontinentalsystem jede Menge. (Das liegt daran, dass Seuchen in aller Regel entstanden, wenn Krankheiten von domestizierten Tieren auf Menschen übersprangen. Und in Amerika gab es kaum Tierarten, die sich domestizieren ließen. Pferde zum Beispiel, die wir beim Klischee des Indianers im Kopf haben, stammen aus Asien und kamen erst mit Columbus rüber.) Durch diese Seuchen, vor allem die Pocken, starben über 90 % der Amerikaner, sodass die Europäer leichtes Spiel hatten, die Gebiete zu erobern und ihre Leute als neue Amerikaner überzusiedeln.
In Afrika sah die Sache komplett anders aus. Hier gab es die Seuchen bereits – zusätzlich zu den in Nordeuropa wütenden war auch noch Malaria weit verbreitet. Ohne diesen Vorteil reichte die Technologie der Europäer einfach nicht aus, den Zivilisationen Afrikas gefährlich zu werden. Wie schon in einem anderen Artikel besprochen, konnte die westlichen Sklavenhalter ihre Sklaven mitnichten selbst fangen, sondern mussten anderen Afrikaner dafür bezahlen, diese Menschen zu versklaven.
Ende des 19. Jahrhunderts war der technische Fortschritts Europas allerdings soweit gereift, dass sich das Blatt wendete. Eine Reihe von Erfindungen machte die Kolonisierung Afrikas plötzlich möglich. Dazu gehörten unter anderem besser Medikamente gegen Malaria, aber der wichtigste Faktor war eben das Maxim-Gewehr. Gegen diese Waffe konnte keine andere Armee etwas ausrichten. In der Schlacht am Shangani reichten 700 britischen Soldaten, um 5000 Angreifer zurückzuschlagen. Während die überlegene Bewaffnung der Briten, darunter fünf Maxim-Gewehre, ca. 1500 Matabele umbrachte, hatten die britische Seite praktisch nur Verluste unter ihren afrikanischen Hilfstruppen. Von der britischen Hauptstreitmacht verstarben nur vier Soldaten. Damit hatte sich Maxims Waffe als zentrales Mittel der Kolonialmächte herausgestellt, mit dem sie auch ohne Seuchen Millionen von Menschen unterjochen konnten.
Dass Afrika die Pocken bereits hatte, macht dieses dunkle Kapitel der westlichen Geschichte ethisch irgendwie kompliziert. Die Europäer brachten nicht nur das Maschinengewehr und die Ausbeutung, sondern auch die Pockenimpfung. Bei einer Krankheit, an der bis zu 10 % der Leute starben, ist das keine kleine Wohltat. Aber es ist mehr als zweifelhaft, ob man die Impfung nicht auch ohne die Ausbeutung hätte verbreiten können.
In jedem Falle war das Maxim-Gewehr für die Kolonialmächte auf Dauer ebenso tödlich. Im Ersten Weltkrieg hatten die anderen nämlich auch Maschinengewehre, allesamt Nachfolger von Maxims Konzept. Hunderttausende junger Männer sollten über den Verlauf des Krieges an Hiram Maxims Erfindung versterben.
Die Nationalisten und vor allem die Herrschenden der Großmächte sahen aber auch das eher als ruhmreich an. Maxims Karriere war daher eben nicht nur eine des Wohlstands, sondern auch des Ruhms. Er war 1881 nach Großbritannien umgezogen, um eine Zweigstelle der United States Electric Lighting Company umzustrukturieren. Ursprünglich reiste er immer wieder in die USA zurück, fühlte sich aber immer mehr der neuen Heimat verbunden. Und diese nahm einen Erfinder eines neuen Gewehrs mit Freuden auf. 1889 bekam er die britische Staatsbürgerschaft und 1900 wurde er Königin Viktoria zum Ritter ernannt. Dass diese Ehre nicht bloß eine willkürliche Regung der Monarchin war, sieht man auch daran, dass sie verstarb, bevor sich die Zeremonie durchführen konnte. Den eigentlichen Ritterschlag erhielt Maxim dann vom neuen König, Edward VII., mit dem er wohl auch befreundet war. Sowohl die vorherige Königin, als auch ihr Erbe sahen Sir Hiram Maxim also als ehrenwert an. Als Waffenhersteller konnte man es damals weit bringen.
Das ist umso überraschender, als dass Hiram Maxim für die prüden Gemüter der Viktorianischen Zeit ein skandalöses Privatleben führte. Als er seine Sekretärin und Geliebte 1881 heiratete, war zweifelhaft, ob er von seiner ersten Frau (mit der er drei Kinder hatte) überhaupt geschieden war. Außerdem hatte er Ende der 1870er wohl eine Affäre, bei der er ein außereheliches Kind zeugte. Auch wenn er das niemals öffentlich eingestand, war das ganze ein Skandal. Dass er es trotzdem zum Ritter schaffte, eine Sache, in der sich zwei britische Monarchen einig waren, zeigt doch sehr deutlich, wie angesehen ein Mann damals werden konnte, wenn er Kriegswaffen erfand.
Hiram Maxim erfand auch viele andere Sachen in seinem Leben – von Mausfallen über Achterbahnen bis hin zu Flugzeugen. Aber am Ende wird er immer der Erfinder des Maschinengewehrs bleiben. Er verstarb am 24. November 1916 in London, während auf dem Kontinent der Große Krieg wütete und täglich unzählige mit Gewehren nach seiner Machart erschossen wurden.