Franz Carl Achard, Erfinder des Rübenzuckers

Name: Franz Carl Achard

Auch bekannt als: François Charles Achard (A`schàr) – Den Namen gaben ihm seine französischen Eltern.

Lebensdaten: 28. April 1753 in Berlin bis 20. April 1821 in Kunern (heute polnisch: Konary)

In aller Kürze: Gegen Zuckerrohr und die Sklaverei: Franz Carl Achard erfand die Zuckergewinnung aus Rüben. Damit konnte er sowohl Preußen weniger abhängig machen vom Rohrzuckermonopol der Kolonialmächte, als auch etwas gegen die Ausbeutung tun. Denn Zuckerrohr wurde damals mit Sklavenarbeit angebaut und Achard verabscheute Sklaverei. (Das Privatleben des Erfinders hatte außerdem Seifenoperqualität.)

Im Detail: Heute mag es uns banal vorkommen, dass man Zucker aus Rüben gewinnen kann (wenn wir uns darüber überhaupt Gedanken machen). Aber bis zur Arbeit von Franz Carl Achard wurde Zucker nur aus Zuckerrohr gewonnen, welches in Europa kaum wachsen kann.

Zwar kam Franz Carl Achard aus Berlin, doch es ist kein Zufall, dass er auch einen französischen Namen trug: François Charles nannten ihn seine Eltern. Denn Achard stammte aus einer Familie von reichen calvinistischen Protestanten, die 1685 aus Frankreich fliehen mussten, nachdem die Gesetze zum Schutz ihrer Minderheit abgeschafft worden waren. Die Achards waren eine allgemein sehr gebildete Familie des Bürgertums und Franz Carl bildete hier keine Ausnahme: Das wenige, was wir über seine Kindheit und Jugend wissen, ist, dass er sich sein naturwissenschaftliches Wissen von sich aus anlas.

Mit 19 Jahren begann der Autodidakt wohl seine eigenen Forschungen, die er aus dem Vermögen seiner wohlhabenden Familie finanzieren konnte. Er gewann sogar Friedrich den Großen, damals König von Preußen, als Fürsprecher. Tatsächlich forschte er schon ab 1776 an der Berliner Akademie der Wissenschaften, ein Gehalt zahlte man ihm aber erst ab 1778, als er 25 war.

Dieses eigene Einkommen konnte Franz Carl Achard gut gebrauchen, denn zu dem Zeitpunkt lag er mit seiner Familie im Streit über die Wahl seiner Ehefrau. Er hatte schon 1776 Maria Louisa Kühn geheiratet, die aus Sicht seiner Familie aus vielerlei Gründen eine skandalöse Gemahlin darstellte: Sie war (a) aus einer kleinbürgerlichen Familie und hatte keinerlei Vermögen, (b) kein Mitglied der französisch-reformierten Kirche, (c) neun Jahre älter als er, (d) geschieden (damals ein Skandal) und brachte (e) eine Tochter aus erster Ehe mit in die Verbindung.

Der damals 23-Jährige war offenbar Hals über Kopf verliebt und so überzeugt von seiner Wahl und auch selbstbewusst genug, dass er Friedrich den Großen direkt anschrieb und um dessen Erlaubnis bat. Der König antwortete sinngemäß: „Was geht mich das an? Heirate doch, wen du willst.“ Das tat Achard zum Schrecken seiner Familie dann auch noch im selben Jahr, wofür er aus mehreren Testamenten gestrichen wurde – Ächtung durch Enterbung.

Achards Privatgeben ging nicht weniger skandalös weiter. 1783 verlangte seine Ehefrau die Scheidung und kämpfte sich durch mehrere Institutionen, um sie zu kriegen. Der geschiedene Wissenschaftler hatte dann eine Affäre mit seiner Stieftochter. Als diese 17 war, gebar sie ihm außerehelich eine Tochter, vier Jahre später einen außerehelichen Sohn. Achards Geburtsfamilie distanzierte sich endgültig von ihm. Später zeugte er noch zwei Kinder mit seiner Hausangestellten.

Es war wohl keine der beiden Beziehungen von Dauer. Um seine vier Kinder dagegen kümmerte sich der Wissenschaftler durchaus. Er legitimierte sie und nahm sie mit sich nach Niederschlesien, wo er seinen Plan einer Zuckerfabrik in die Tat umsetzte.

Um zu verstehen, wie bedeutend das war, müssen wir uns erst vergegenwärtigen, welche Zuckerquellen man vorher kannte. An reinen Zucker zu kommen, was in Europa lange Zeit nur den Reichsten vorbehalten. Alternativen zum reinen Stoff waren dünn gesät. Abgesehen vom teuren Honig waren fast alle Quellen von Süße nur saisonal vorhanden, weil es sich um Früchte handelte. Deshalb verwendeten damals viele Backrezepte die leicht süßlichen Zwiebeln als Süßungsmittel, was uns heute recht absurd vorkommt.

Schon in der Antike entwickelte man in Asien die Gewinnung von Zucker aus Zuckerrohr – ein Verfahren, welches um das Jahr 600 in Persien verfeinert wurde und die ikonischen Zuckerhüte hervorbrachte. Doch Zuckerrohr wächst nur unter spezifischen Bedingungen und war sowohl schwierig zu kultivieren, als dass es auch viel Platz verbrauchte, der für andere Ackerflächen gebraucht wurde, um die Bevölkerung zu ernähren.

Das änderte sich mit der Entdeckung Amerikas: Nicht nur waren hier vielerorts die Bedingungen ideal für den Anbau des Zuckerrohrs. Durch die Seuchen, die die Europäer eingeschleppt hatten, waren auch über 90 % der Ureinwohner verstorben, sodass viel Fläche zur Verfügung stand, die eben nicht mehr zur Ernährung der Bevölkerung erforderlich war. In Folge dessen konnten die Kolonialmächte ein sehr lukratives Zuckermonopol aufbauen.

Das Gut Zucker war dabei in Europa so begehrt, dass es weltpolitischen Einfluss mit sich brachte. Es hatte auch drastische soziopolitische Auswirkungen, denn die beste Methode, Zuckerrohr in Amerika anzubauen, war die Sklavenarbeit. Der Sklavenhandel mit Afrikanern wuchs um Größenordnungen. Diese Sklaven wurden bewusst aus Afrika eingeschifft, gerade weil die Arbeitsbedingungen so grausam waren. Die Plantagen waren heiß und feucht, und von Malaria heimgesucht. Die Kolonialisten holten sich ihre Sklaven daher aus heißen und feuchten Gebieten Afrikas, die ebenfalls von Malaria befallen waren, sodass die Menschen dort zumindest etwas dagegen abgehärtet waren. (Anders als man vermuten mag, fingen die Europäer diese Sklaven übrigens selten selbst, weil die militärische Schlagkraft Europas damals noch viel zu schwach dafür war. Vielmehr bezahlten sie anderen Afrikaner, die Sklaven für sie zu beschaffen. Das klingt friedlicher, war aber in letzter Konsequenz vielleicht sogar schädlicher. Denn dadurch verschob sich ein großer Teil der dortigen Wirtschaft auf den Sklavenhandel und mit dessen Abschaffung brach die lokale Wirtschaft völlig zusammen.)

Auf jeden Fall wurde das Zuckermonopol, von dem alle europäischen Nichtkolonialmächte abhingen, in Preußen sowohl politisch als auch moralisch als großes Problem gesehen. Franz Carl Achard war nicht nur durch Forscherdrang oder Gewinnabsicht motiviert, als er die erste Rübenzuckerfabrik der Welt eröffnete. Er sah sie sowohl als Mittel für die Unabhängigkeit Preußens als auch als Waffe gegen die Sklaverei, welche er zutiefst verabscheute.

Franz Carl Achards Weg zu diesem Punkt war ein verschlungener Pfad. Seine Arbeit als Wissenschaftler war in mancher Hinsicht nicht weniger wechselhaft als sein Privatleben. Im 18. Jahrhundert war die Wissenschaft eh noch nicht so weit entwickelt, dass sich Forscher stark hätten spezialisieren müssen – die meisten arbeiteten an sehr unterschiedlichen Themen. Bei Achard war das noch besonders extrem, weil er nach der Trennung von seiner Familie regelmäßig in Geldnot war und deshalb immer wieder neue Projekte in der Hoffnung auf Gewinn oder Fördergelder verfolgen musste.

Besonders lukrativ stellte sich dabei die Arbeit an Pflanzen heraus. So wurde er von Friedrich dem Großen beauftragt, Textilfarbstoffe aus heimischen Pflanzen zu gewinnen, um Preußen weniger abhängig von Importen zu machen. Aus ähnlichem Grunde entlohnte der König ihn später auch stattlich dafür, den heimischen Tabakanbau gefördert zu haben – keine geringe Leistung in Mittel- und Nordeuropa.

Nach Färberpflanzen und Tabak nahm sich Franz Carl Achard nun den Rüben an. Schon zuvor hatte der ebenfalls in Berlin tätige Andreas Sigismund Marggraf den Zuckergehalt einheimischer Pflanzen bestimmt und einen hohen Zuckergehalt der Runkelrübe festgestellt.

Hier setzte Achard an. Er erhöhte den Zuckergehalt der Rübe durch Züchtung weiter und entwickelte ein Verfahren zu dessen Gewinnung. 1799 war seine Forschung weit genug gediegen, dass er den König von Preußen um ein Darlehen bitten konnte. (Das war zu diesem Zeitpunkt Friedrich Wilhelm III. – Friedrich II. (der Große) war 1786 gestorben und wurde gegen seinen Willen von seinem Neffen Friedrich Wilhelm II. beerbt, welcher wiederum 1797 verstarb, wodurch Friedrich Wilhelm III. auf den Thron kam.)

Der König gewährte Franz Carl Achard einen Kredit über die beträchtliche Summe von fünfzigtausend Talern. Davon kaufte der Wissenschaftler ein Gut in Kunern (heute in Polen, in der Nähe des Flusses Oder) und gründete dort die erste Rübenzuckerfabrik der Welt. Von nun an konnte er tonnenweise Zucker aus heimischen Kulturpflanzen auf den preußischen Markt bringen.

Wie bedeutend diese Errungenschaft für die zuckerhungrigen Preußen war, sieht man auch daran, für wie relevant der König diese Fabrik hielt. Denn 1807 wurde die Fabrik während des Krieges mit Frankreich schwer beschädigt. Achard stand vor der Pleite und musste sich hoch verschulden, aber der König kaufte seine Schuld 1810 auf – unter der Auflage, Achard müsse eine Lehranstalt gründen und die Kunst der Zuckergewinnung aus Rüben weitervermitteln. Das tat er ab 1812, allerdings nur bis 1815. Denn aufgrund zunehmend schlechterer Gesundheit kam der Erfinder nicht mehr auf die Beine. Verarmt und vergessen verstarb Franz Carl Achard am 20. April 1821 in Kunern. In Kunern (heute polnisch: Konary) befindet sich ein Gedenkstein und ein Museum, teilweise gestiftet von der Zuckerindustrie. In der Welt bleibt er weitestgehend unbekannt.

Doch sein Werk hat Bestand. Der weltpolitische Effekt davon, das Zuckermonopol der Kolonialmächte zu brechen, ist nicht zu unterschätzen. Und auch heute ist der Rübenzucker ein wichtiges Agrarprodukt in Mitteleuropa. Zwar herrscht weltweit das Zuckerrohr vor, aber in Deutschland werden jedes Jahr über 4 Millionen Tonnen Zucker aus Rüben gewonnen.

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