Jacques Offenbach – als Humorkomponist Karriere machen

Name: Jacques Offenbach (ursprünglich Jakob/Jacob Offenbach)

Lebensdaten: 20. Juni 1819 in Köln bis 5. Oktober 1880 in Paris

In aller Kürze: Einer der größten Komponisten humorvoller Operetten ist heute fast in Vergessenheit geraten, obwohl praktisch jeder sein beliebtestes Stück kennt: den Höllengalopp aus Orpheus in der Unterwelt.

Im Detail: Jakob Offenbach (gelegentlich auch mit C „Jacob“ geschrieben) wurde am 20. Juli 1819 in Köln geboren. Die Stadt gehörte damals zu Preußen, hatte aber bis 1815 unter der französischen Herrschaft Napoleons gestanden. Auch wenn noch längst nicht alle Bürger von diesen 20 Jahren der Besatzung begeistert gewesen waren, hatte die Mehrheit die napoleonische Regentschaft durchaus begrüßt und unterstützt. Insofern war der französische Einfluss in der Stadt weiterhin sehr stark, als der junge Jakob dort aufwuchs.

Die Familie Offenbach war musikalisch und jüdisch: Sein Vater Isaac war Komponist und Kantor in der örtlichen Synagoge. (Der Vater stammte ursprünglich aus Offenbach am Main, daher der Nachname.) Aus dessen Ehe gingen zehn Kinder hervor, von denen Jakob das siebte war.

Isaac Offenbach brachte Jakob bereits im Alter von sechs Jahren das Geigenspielen bei. In diesem Alter ein Instrument zu lernen, ist jetzt auch nichts groß Ungewöhnliches, doch die Geschwindigkeit und das Talent, mit welchen der junge Jakob das Instrument studierte, waren beeindruckend. Schon mit 8 Jahren komponierte er erste Stücke. Er war mit diesem Talent in der Familie Offenbach aber auch nicht allein. So entschied der Vater 1833, Jakob und dessen älteren Bruder Julius nach Paris zur Ausbildung zu schicken. Auch wenn die Kölner es heute ungern hören (haben sie doch einen Platz nach Jacques Offenbach benannt), war ihre Stadt damals nicht gerade das leuchtende Zentrum der Kultur. Wer es in der Musik zu etwas bringen wollte, musste an einen angeseheneren Ort gehen.

Am Pariser Konservatorium spielten beide Jugendliche vor. Auch wenn der Leiter dieser Institution anfangs deutlich dagegen war, zwei Buben aus dem Ausland auszubilden, konnten die Nachwuchsmusiker ihn am Ende mit ihrem Talent überzeugen. Beide Offenbachs wurden als Schüler angenommen. Sie behielten ihren Nachnamen bei, passten jedoch ihre Vornamen an deren französische Version an: Aus Julius wurde Jules und aus Jakob wurde Jacques. (Nebenbemerkung: Falls Sie sich jemals fragten, was eigentlich die deutsche Entsprechung von Jacqueline sei, sie lautet Jakobäa und ist wenig verbreitet.)

Der Vater wollte seine Söhne vor Ort unterstützen und suchte daher eine Anstellung in Paris. Aber weil er keine finden konnte, kehrte er nach Köln zurück und die beiden Jungen waren auf sich allein gestellt. Jules war damals 18, Jacques bloß 14. Sie verdienten ihren Unterhalt durch Chorgesang in der Synagoge und dadurch, dass Jules eine Reihe von Kindern in Musik unterrichtete.

Damit konnten beide das Studium angehen, doch während Jules ein fleißiger Student war, langweilte sich Jacques in dem recht theoretischen Studium und brach nach bloß einem Jahr ab. Damit war Jacques Offenbach frei vom akademischen Zwang, aber auch ohne Einkommen in einer fremden und teuren Stadt. Er arbeitete nun als Musiker. Zunächst wechselte er zwischen mehreren Orchestern, bis er am Theater Opéra-Comique als Cellist angeheuert wurde.

An diesem Theater sollte Offenbach Karriere machen, solange er es vermeiden konnte, gefeuert zu werden. Denn auch dort benahm es sich nicht gerade mustergültig und bekam unter anderem öfter das Gehalt gekürzt als Strafe für irgendwelche wilden Streiche, die er gespielt hatte.

Damit verdiente er immerhin genug Geld, um weiteren Unterricht auf dem Cello und im Komponieren zu bezahlen. Als Komponist war er sehr begabt, aber der große Erfolg blieb trotzdem aus. Als Ausländer und Jude wurde er von den großen Bühnen und Opernhäusern abgelehnt. Er kam zu einem begrenzten Ruhm als erfolgreicher Komponist und Cellist für Salons, aber den wirklichen Durchbruch sollte er erst später erreichen.

Doch vorerst sollte er die Liebe seines Lebens finden. In einem dieser Salons traf er Hérminie d’Alcain, die Tochter eines Generals. Die beiden verliebten sich ineinander, auch wenn Jacques Offenbach nicht genügend Geld hatte, um die Tochter aus gehobenem Stande zu heiraten. Um mehr Vermögen aufzubauen, ging Offenbach auf Tournee durch Frankreich, Deutschland und 1844 auch England.

Als Offenbach nach Paris zu seinem Geliebten zurückkehrte, waren sein Geld und sein Ansehen erheblich gestiegen. Doch ein Hindernis bestand noch: Um seine Angebetete heiraten zu können, konvertierte Offenbach zum Römischen Katholizismus. (Beachten Sie den Unterschied zu bspw. Lise Meitner. Zu dieser Zeit war Antisemitismus noch keine biologisch-rassistische Diskriminierung. Mit Offenbachs Übertritt zum Christentum war die Sache vom Tisch.)

Die Hochzeit wurde am 14. August 1844 geschlossen und sollte bis zu Jacques Tode halten. Allen Berichten nach waren Jacques und Hérminie über all diese Jahrzehnte glücklich verheiratet, vollkommen unberührt von einigen Affären, die der Komponist hatte. Wenn die Ehefrau diese als Belastung empfand, so zeigte sie der Öffentlichkeit zumindest nichts davon. Des Weiteren sollten sie fünf Kinder haben.

Frisch verheiratet konzentrierte sich Offenbach nun mehr auf das Komponieren, bis er vor dem Blutbad der Revolution von 1848 floh und mit Frau und Tochter vorerst wieder in Köln lebte. Als er 1849 zurückkehrte, war die zweite Republik ausgerufen worden und die reiche Oberschicht entmachtet, deren Kultur Offenbachs Werke finanziert hatte. Er musste sich zunächst auf sein Cellospiel zurückziehen. Es sollte Jahre dauern, bis er sich wieder als Komponist etablieren konnte.

Am Ende gelang es ihm. Sein Erfolgsrezept passte sehr gut zu seinem Charakter: Der Mann, der schon in seiner ersten Anstellung für Streiche geahndet wurde, wurde zum gefeierten Komponisten von Operetten. Die Kunstform der Operette war damals in aller Regel humorvolle Stücke. Gerade Offenbachs Operetten enthielten nicht nur gute Musik, sondern auch jede Menge Scherze und politische und gesellschaftliche Satire. Mit dieser Mischung wurde er zu einem international gefeierten Komponisten.

Sein bis heute bedeutendstes Stück wurde im Oktober 1858 uraufgeführt: Orpheus in der Unterwelt (französisch: Orphée aux enfers). Die Operette war ein erfolgreicher Skandal: Sie parodierte mit Biss die Oberschicht des von Napoleon III. 1852 errichteten Zweiten Kaiserreichs. Der aufmerksame Pariser konnte in jeder absurden Figur des Stücks eine angesehene Person in der Hauptstadt wiedererkennen. Außerdem war das Werk anzüglich und (für die damaligen Verhältnisse) deutlich sexualisiert, was dem Erfolg der Operette ebenfalls sehr zuträglich war.

Des Weiteren nimmt Jacques Offenbach die griechische Mythologie aufs Korn, welche sich bei der damaligen Aristokratie großer Beliebtheit erfreute. Wie in der Vorlage soll Eurydike von Orpheus aus der Unterwelt befreit werden. Anders als in der antiken Erzählung ist der Ehemann nicht sonderlich begeistert davon. Die Ehe ist eigentlich zerrüttet und Eurydike wird von Pluto in die Unterwelt gebracht, weil er ihr in Verkleidung eines Schäfers begegnete und sie eine Affäre mit ihm hatte. Orpheus ist zunächst sehr glücklich darüber, sich als Witwer vorzufinden, wo er doch auch seine Seitensprünge hat und seiner Frau keine Träne nachweint. Doch die Öffentliche Meinung bringt ihn dazu, seine Frau zurückzuholen. Es fasst den Stil von Offenbachs Operette ziemlich gut zusammen, wenn ich erwähne, dass die Öffentliche Meinung tatsächlich eine auftreten Figur ist. (Sie singt übrigens Alt.)

Orpheus in der Unterwelt ist bis heute ein Klassiker. Die meisten Operetten schaffen es nicht gut über die Zeit, weil sie eben viele Anspielungen auf die damalige Politik enthalten, die sich nur schlecht auf das Heute anpassen lassen. (Wenn Sie sich noch daran erinnern, vergleichen Sie es mit dem Steuersong von Die Gerd Show, der Schröders Steuererhöhung kritisierte. Den versteht heute auch keiner mehr, der nicht dabei war.) Doch Offenbachs Meisterwerk ist zeitlos und die Handlung bis heute verständlich. Einerseits wegen der absurden Parodie der Mythologie, anderseits weil die Öffentliche Meinung es explizit erklärt, dass bspw. eine Scheidung damals ein Skandal gewesen wäre.

Vor allem aber ist die Musik einfach gut. Das berühmteste Stück der Operette ist ohne Frage der Höllengalopp (auch Höllen-Cancan, französisch: Galop infernal). Wenn Sie jetzt glauben, den nicht zu kennen, so kennen Sie bloß den Namen nicht. Hören Sie einmal hier rein. Bis heute ist dieses Stück derart beliebt, dass es auch als „der Cancan“ bezeichnet wird, obwohl Cancan eigentlich ein Tanz ist und der Höllengalopp bloß der bekannteste. (Ein wenig wie An der schönen blauen Donau „der Walzer“ ist.)

Jacques Offenbachs Ruhm war so groß, dass Napoleon III. ihm die französische Staatsbürgerschaft verlieh und ihn zum Ritter schlug, obwohl seine Stücke sich über das Regime amüsierten. In den nächsten 12 Jahren feierte er sogar noch größere Erfolge, die heute jedoch nicht mehr so bedeutend sind, weil sie sich als nicht so zeitlos herausstellten.

Der wirklich drastische Einschnitt kam 1870 mit dem Krieg gegen Preußen. Offenbach floh mit seiner Familie nach Spanien. Doch die Folgen des Konflikts bekam auch er zu spüren. Frankreich, zuvor die tonangebende Macht in Kontinentaleuropa, kämpfte gegen die Länder, die kurz darauf zum Deutschen Reich werden sollten. Preußen und seine Verbündeten hatten nicht nur die materielle Überlegenheit, sondern mit Graf von Moltke auch einen der besten Strategen des 19. Jahrhunderts auf ihrer Seite. Frankreich wurde vernichtend geschlagen und Napoleon III. geriet in Gefangenschaft. Um dem Ganzen die Krone aufzusetzen, hatte Preußen auch noch die Frechheit, seinen König im Spiegelsaal in Versailles zum Kaiser des neuen Deutschen Reichs zu krönen – am 18. Januar 1871.

Die meisten Franzosen empfanden dies als schreckliche Kränkung. Trotz seiner französischen Staatsbürgerschaft und seiner Ehrung durch Napoleon III. traf Jacques Offenbach als Komponist deutscher Herkunft, der die alte Regierung in seinen Stücken mit Spott überhäuft hatte, auf wenig Gegenliebe. Aus Sicht der Franzosen war Jacques plötzlich doch wieder Jakob.

Zu seinem Glück war Offenbach international erfolgreich genug, dass er zunächst Wien und London, wo seine Stücke weiterhin große Erfolge feierten, als Ehrengast besuchen konnte. Bereits Ende 1871 war die größte Hasswelle durchgelaufen und Offenbach konnte in seine Wahlheimat Paris zurückkehren.

Seine weitere Karriere war durchwachsen. Während einige Aufführungen großen Jubel hervorriefen, darunter auch eine Neuaufführung von Orpheus in der Unterwelt, verspekulierte er sich mit anderen Produktionen und geriet in Geldsorgen. Wieder rettete ihn sein internationaler Ruhm, sodass er durch eine Amerikatournee zumindest einen Teil seines Reichtums wiedergewinnen konnte.

Danach konnte er auch in Paris wieder Erfolge feiern, aber sein Werk blieb unstetig. Er wollte unbedingt auch einmal eine vollwertige Oper schreiben, nicht bloß Operetten. Das Ergebnis namens Hoffmanns Erzählungen (französisch: Les contes d’Hoffmann) sollte am 10. Februar 1881 uraufgeführt werden. Doch Offenbach erlebte dies nicht mehr. Er war bereits am 5. Oktober 1880 in Paris verstorben.

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