Name: Diedrich Uhlhorn
Lebensdaten: 3. Juni 1764 in Bockhorn bis 5. Oktober 1837 in Grevenbroich
In aller Kürze: Diedrich Uhlhorn war bereits ein erfolgreicher Erfinder, der das Tachometer und neue Maschinen der Textilindustrie entwickelt hatte, als er eine noch viel profitablere Erfindung ersann: ein Mittel für den Staat, besser und schneller Münzen zu prägen.
Im Detail: Einer der unbesungenen Erfinder neuer Mechaniken wurde am 3. Juni 1764 in Bockhorn geboren, einem kleinen Örtchen, welches in Friesland am Jadebusen liegt. Sein Vater war Landwirt und Tischler in der kleinen Gemeinde. Damit war die Familie nicht reich, aber auch nicht bitterarm. Das bedeutete damals, dass der Junge auf die örtliche Schule geschickt wurde, seine Ausbildung jedoch bei den Eltern antrat. Diedrich Uhlhorn war mit dem ersten Teil seiner Bildung sehr viel zufriedener als mit dem zweiten: Er war ein sehr gelehriger Schuler, der sich sehr für das interessierte, was man heute die MatNat-Fächer nennen würde (=mathematisch-naturwissenschaftliche Fächer). Er erlernte Mathematik und Physik größtenteils im Selbststudium und baute viel lieber optische Instrumente als im väterlichen Tischlerbetrieb zu arbeiten. Er ließ sich auch vom örtlichen Deichinspektor in Mathematik unterrichten. Tatsächlich nutzte er die Werkstatt seines Vaters wohl vor allem, um sich Holzspielzeuge zu bauen. Der Hausherr war darüber zunehmend erbost. Der Zwist zwischen Vater und Sohn ging so weit, dass Diedrich Uhlhorn enterbt wurde und sich von seiner Geburtsfamilie lossagte.
Zur etwa gleichen Zeit fand Uhlhorn eine Frau: Im Alter von 30 Jahren heiratete er die 21-jährige Gesche Margarte Schwoon. (Deren Bruder sollte vier Jahre später Uhlhorns Schwester ehelichen – Bockhorn war eben eine kleine Gemeinde.) Aus dieser Ehe gingen vier Söhne und eine Tochter hervor.
Trotz dieser Umwälzungen blieb der Tüftler in Bockhorn und eröffnete in diesem kleinen Ort seine neue Werkstatt für physikalische und mathematische Instrumente – von Wasserwaagen und Sonnenuhren bis zu Elektrisiermaschinen und Luftpumpen. (Eine Luftpumpe kommt uns heute wie ein banales Gerät vor, aber vor modernen Dichtungsmaterialien aus Gummi waren Luftpumpen Hochtechnologie. Als der Astronom Nicolas Louis de Lacaille 1752 bemerkte, dass ein paar Flecken des südlichen Firmaments noch nicht zu Sternbildern erklärt worden waren, benannte er diese nach modernen Erfindungen – darunter auch das Sternbild Luftpumpe, lateinisch: „Antlia“.)
Apropos Astronomie: Gerade in der Fertigung von Linsen und Fernrohren war Diedrich Uhlhorn besonders talentiert. Im Jahr 1797 baute er ein solches Fernrohr für Peter Friedrich Ludwig, Herzog von Oldenburg. Dieser war von der Qualität des Instruments derart begeistert, dass er den Konstrukteur mit einer Jahrespension belohnte. Die Höhe dieser Zuwendung wird je nach Quelle auf 150 oder 200 Reichstalern pro Jahr beziffern.
Im selben Jahr ernannte der Herzog ihn zu seinem Hofmechanikus. In dieser Position konnte Uhlhorn nun den Großteil seiner Arbeitszeit für seine Experimente aufwenden. Diedrich Uhlhorn zog jedoch erst vier Jahre später in den Umkreis von Oldenburg.
Seine Forschungen waren von großem Erfolg. Er fokussierte sich dabei stark auf Arbeitsmaschinen. Beispielsweise förderte er die Automatisierung im Textilgewerbe.
Bevor seine Karriere in diesem Gebiet jedoch so richtig durchstarten konnte, ereilte die Familie ein Unglück: Diedrich Uhlhorns Ehefrau Gesche Margarete nahm sich das Leben. Die Ursachen für den Suizid sind heute schwer festzustellen. Da der Selbstmord sich allerdings kurz nach der Geburt des jüngsten Kindes des Paares, der Tochter Gesche Katharina, ereignete, liegt der Verdacht der postnatalen Depression nahe. (Wie schon bei Carl Barth und David Hilbert sehen wir auch hier, wie primitiv bis abwesend die Behandlung psychischer Erkrankungen früher war.)
Anderthalb Jahre nach diesem Schicksalsschlag heiratete Uhlhorn erneut: eine Frau namens Johanna Katharina Klaener. Die Hochzeit, so kurz nachdem er Witwer geworden war, könnte mehrere Ursachen haben: Womöglich hatten seine erste Frau und er sich auseinandergelebt. Womöglich wollte er eine Stiefmutter für seine Kinder. Vielleicht war er auch einfach ein Mann, der nicht lange trauerte. In jedem Falle wurde das einzige Kind aus dieser Verbindung bereits zehn Monate nach der Eheschließung geboren.
Nachdem diese Wirrungen des Privatlebens einer stabilen Familiensituation gewichen waren, startete Diedrich Uhlhorns Karriere richtig durch. Zunächst blieb er der Mechanisierung in der Textilindustrie treu. 1810 zog die Familie nach Grevenbroich um, wo Uhlhorn der technische Leiter einer Spinnerei wurde. Ab 1812 gründete er eine eigene Fabrik, welche Kratzen herstellte. (Das sind Geräte, um Stoffe aufzurauen – auch Karden genannt.) Mit seinen technischen Errungenschaften waren seine Produkte sehr konkurrenzfähig. Und durch die Lage von Grevenbroich in der Nähe der Grenze konnte Uhlhorn auch viel ins Ausland verkaufen.
Trotz dieses geschäftigen Treibens blieb Uhlhorn noch genug Zeit, um weitere Maschinen zu erfinden, von denen zwei bis heute von Bedeutung sind: Im Jahre 1817 stellte er sein Tachometer vor. Dieses wurde ab 1844 in Lokomotiven verbaut, heute steckt es in jedem Auto. Entgegen dem, was das Ziffernblatt anzeigen mag, misst ein Tachometer übrigens nicht die Geschwindigkeit des Fahrzeugs, sondern die Drehzahl der Achse. Uhlhorns Eingebung war es, dass man die Drehzahl mittels der Zentrifugalkraft messen und über den Raddurchmesser in die Geschwindigkeit umrechnen kann.
Ebenfalls 1817 erfand Diedrich Uhlhorn die sogenannte Kniehebelpresse. Dabei handelt es sich um eine Presse, die durch einen sogenannten Kniehebel besonders präzise große Kraft ausüben kann. Das hatte sofort eine enorm wichtige Anwendung: das Prägen von Münzen.
Bis heute werden Münzen mit solchen Kniehebelpressen geprägt. Auch heute ist es für das Vertrauen in eine Währung wichtig, dass die baren Münzen mit hoher Qualität hergestellt sind. Damals war dies noch viel wichtiger, weil es sich noch um Kurantmünzen handelte, also um Münzen, deren Wert an ihrem Edelmetallgehalt hing. In Kurantwährungen ist es besonders bedeutend, dass die Münzen alle sauber geprägt sind und damit alle gleich groß und schwer. (Papiergeld und Fiat-Währungen steckten damals noch in ihren Kinderschuhen.) Außerdem ließ sich der Prozess durch Automatisierung erheblich beschleunigen.
Eine Erfindung, die besser und schneller Geld produziert, kann sich der Begeisterung des Münzherrn sicher sein. Bereits ein Jahr später konnte Diedrich Uhlhorn die Presse der Königlichen Münze vorstellen, die schier begeistert war von der Qualität der geprägten Geldstücke. Schon 1820 wurden damit in Berlin staatliche Münzen geprägt. Über die nächsten Jahre und Jahrzehnte sollte Uhlhorns Firma ein Vermögen damit verdienen, diese Maschinen an die Münzprägestätten der Welt zu verkaufen.
1822 verlieh der preußische König Friedrich Wilhelm III. Diedrich Uhlhorn für seine Verdienste das allgemeine Ehrenzeichen Roter-Adler-Orden. (Diesen Monarchen trafen wir schon als Förderer von Franz Carl Achard, dem Erfinder des Rübenzuckers.)
Uhlhorns neues Geschäft lief derart gut, dass er 1824 seine ebenfalls sehr erfolgreiche Kratzenfabrik an zwei seiner Söhne übertrug, um sich komplett den Münzprägemaschinen zu widmen. Bis zu seinem Ruhestand erwirtschaftete die Fabrik ein kleines Vermögen.
Diedrich Uhlhorn verstarb im Alter von 73 Jahren am 5. Oktober 1837 in seiner Wahlheimat Grevenbroich.
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