Im Periodensystem verewigt – Elemente mit Personennamen

Nach aktuellem Stand gibt es 118 chemische Elemente im Periodensystem. Deren Namen müssen ja irgendwo herkommen. Während viele davon aus ferner Vergangenheit stammen (z. B. Eisen vom mittelhochdeutschen īse(r)n und dies wiederum vom althochdeutschen īsa(r)n) oder rein beschreibend sind (z. B. ist Wasserstoff ein Stoff, der in Wasser steckt), sind einige davon nach Personen benannt.

Neunzehn der 118 Elemente erhalten ihren Namen mehr oder minder direkt von realen Personen. Tatsächlich kann man die Zahl so genau nicht feststellen, weil es Grenzfälle gibt – wie Sie gleich sehen werden. Sortiert habe ich all diese Elemente nach der Anzahl der Protonen in ihrem Atomkern, der sogenannten Ordnungszahl.

Beginnen wir mit der Ordnungszahl 31 und dem Gallium. Das ist bereits einer der angekündigten Grenzfälle. Offiziell ist es nämlich nach Frankreich benannt, welches in Lateinischen „Gallia“ heißt. (Gallien kennen Sie von Asterix.) Allerdings wurde es von einem Mann namens Paul Émile Lecoq de Boisbaudran entdeckt. „Le Coq“ ist Französisch für „der Hahn“, und auf Latein heißt der Hahn „Gallus“. Insofern liegt der Verdacht nahe, Lecoq wollte das Element eigentlich nach sich selbst benennen, und hätte eine akzeptable Methode gefunden, das zu tun, ohne völlig selbstverliebt zu wirken.

Klar ist der Fall bei der Ordnungszahl 64 und dem Gadolinium. Jean Charles Galissard de Marignac entdeckte es 1880 und benannte es zu Ehren von Chemikers Johan Gadolin.

Einen weiteren Grenzfall stellt das Americium mit der Ordnungszahl 95 dar. Benannt ist es eigentlich nach dem Kontinent Amerika – es steht im Periodensystem auch direkt unter dem Europium. Allerdings trägt der Kontinent Amerika seinen Namen nach Amerigo Vespucci, womit es indirekt sehr wohl nach einer Person getauft wurde. Americium ist in dieser Liste auch insofern bedeutend, als dass es das erste Element darstellt, welches nicht in der Natur entdeckt, sondern in Teilchenbeschleunigern hergestellt wurde. Dieses und alle schwereren Elemente wurden daher erst in der Neuzeit erhalten und sind oft nach wichtigen Forschern benannt.

Beispielsweise wurde das 96. Element gleich zwei Leuten gewidmet: Das Curium trägt seinen Namen zu Ehren von Marie Skłodowska Curie und Pierre Curie.

Das Element der Ordnungszahl 97 heißt Berkelium. Die Bezeichnung stammt zunächst einmal von der Universitätsstadt Berkeley, wo es von Kernphysikern erstmals synthetisiert wurde. Doch diese Stadt wurde wiederum nach dem Bischof George Berkeley benannt – ein weiterer Grenzfall.

Es ist wohl nicht schwer zu erraten, wem das 99. Element gewidmet wurde, heißt es doch Einsteinium.

Auch das Element mit 100 Protonen in seinem Atomkern trägt den Namen eines Physikers: Nach Enrico Fermi heißt es Fermium.

Das Mendelevium mit der Ordnungszahl 101 ist dagegen nach einem Chemiker benannt – Dmitri Mendelejew, dem Entwickler des Periodensystems.

Auch das Nobelium trägt den Namen eines Chemikers, und zwar Alfred Nobel. Anders als Mendelejew brachte Nobel allerdings keinerlei tiefgehende Erkenntnisse hervor. Vor allem entwickelte er das Dynamit. Insofern verdiente er sich diese Ehrung mit der Stiftung des Nobelpreises. (Womöglich hofften die Namensgeber, mit einem solchen als Gegenleistung für die Benennung ausgezeichnet zu werden.) Das Nobelium trägt 102 Protonen im Kern.

Unter der Ordnungszahl 103 findet sich das Lawrencium. Benannt wurde das Element nach dem Kernphysiker Ernest Orlando Lawrence, dem Erfinder des Zyklotrons, einer Sorte Teilchenbeschleuniger. Mit dieser Technologie wurden viele der Elemente hergestellt, die sich in dieser Liste finden.

Das Element der Ordnungszahl 104 trägt zwei Namen. Eigentlich liegt das Recht der Benennung bei den ersten Entdeckern oder Herstellern des Elements. Und erstmals wurde es in Dubna bei Moskau hergestellt – unter Leitung von Georgi Fljorow, zu dem wir gleich noch ein Element finden werden. Die Sowjets benannten es Kurtschatowium nach Igor Wassiljewitsch Kurtschatow (russisch: И́горь Васи́льевич Курча́тов). Nun war Kurtschatow der Vater der sowjetischen Atombombe, weshalb die Amerikaner sich vollkommen aufregten. Anstatt einfach das nächste Element zu synthetisieren und es Oppenheimerium zu nennen (man beachte, dass auch der oben schon geehrte Fermi an der US-Atombombe mitgewirkt hatte), behaupteten sie zunächst, sie hätten das Element zuerst entdeckt. Das glaubt ihnen heute kein Mensch mehr, aber sie veranstalteten ein derartiges Affentheater, dass das 104. Element heute Rutherfordium heißt, nach Ernest Rutherford, dem Entdecker der Atomkerne. Im ehemaligen Ostblock, allen voran Russland, ist die Bezeichnung Kurtschatowium aber noch weit verbreitet. Und so ungern man es in der aktuellen weltpolitischen Situation zugeben mag, leider wohl zurecht.

Klarer ist es beim Seaborgium mit 106 Protonen im Kern, obwohl auch in diesem Fall die Sowjets etwas schneller waren. Trotzdem ist die amerikanische Benennung nach Glenn Theodore Seaborg, der eine Vielzahl Elemente mitentdeckte, nicht groß umstritten.

Ebenso scheint es kein Stein des Anstoßes zu sein, das Bohrium nach Niels Bohr zu benennen, dem Entdecker der Elektronenschalen. Es hat die Ordnungszahl 107.

Das Meitnerium hat die Ordnungszahl 109 und trägt seinen Namen zu Ehren der Entschlüsslerin der Kernspaltung, Lise Meitner.

Sie werden sich denken können, nach wem das 111. Element die Bezeichnung Roentgenium trägt. Wilhelm Conrad Röntgen entdeckte die berühmte Röntgen-Strahlung.

Auch das 112. Element, das Copernicium, könnte einen höchstens wegen der lateinischen Schreibweise von Kopernikus verwirren. Warum man ein Element nach einem der Entdecker des heliozentrischen Weltbildes benennen sollte, ist Geschmackssache. (Vielleicht sehe ich das aber auch zu kritisch, weil ich Kopernikus allgemein für überschätzt halte. Dass die Erde sich um die Sonne dreht, hatten vor ihm schon mehrere vorgeschlagen. Und Kopernikus’ Modell, in dem die Planetenbahnen Kreise waren, ist auch nicht besser als das geozentrische. Erst durch Johannes Kepler, der das Modell verbesserte auf elliptische Bahnen und durch empirische Daten belegte, wurde Kopernikus überhaupt wichtig.)

Das Element der Ordnungszahl 114 heißt Flerovium, benannt nach dem Physiker Georgi Nikolajewitsch Fljorow (russisch: Георгий Николаевич Флёров, auch auf als „Flerov“ transliteriert). Wie auch Glenn Theodore Seaborg war er ein Kernphysiker, der an der Synthese mehrerer Elemente beteiligt war.

Das Livermorium mit der Ordnungszahl 116 trägt seinen Namen wieder indirekt nach einer Person. Eigentlich ist es der Stadt Livermore gewidmet, wo es erstmals hergestellt wurde. Diese wiederum trägt ihren Namen nach dem Viehzüchter Robert Thomas Livermore.

Das letzte Element dieser Liste ist auch das neuste, welches überhaupt entdeckt und benannt wurde. Mit 118 Protonen im Atomkern steht das Oganesson ganz am Ende des aktuellen Periodensystems. Benannt ist es nach dem Kernphysiker Juri Zolakowitsch Oganesjan (russisch: Юрий Цолакович Оганесян). Ihnen mag aufgefallen sein, dass die meisten Elemente in dieser Liste die Endung -ium tragen, während das Oganesson auf -on endet. Es gibt seit Jahren die Einigung, dass Elemente auf ‑ium enden sollten, mit Ausnahme der Elemente der 18. Gruppe, der sogenannten Edelgase. Die Edelgase enden (mit Ausnahme des Heliums) alle auf -on: Neon, Argon, Krypton, Xenon, Radon, und nun eben auch Oganesson. (Auch wenn wir nur wenige Atome davon herstellen konnten, können wir ziemlich sicher ausschließen, dass es sich bei Raumtemperatur und Normaldruck um ein Gas handelt. Der vorhergesagte Schmelzpunkt liegt bei ca. 50 °C, was einen aber nicht dazu verleiten sollte, es für einen Feststoff zu halten. Denn diese Berechnung des möglichen Schmelzpunktes vernachlässigt, wie extrem radioaktiv Oganesson ist. Mit einer Halbwertszeit im Millisekundenbereich wird jede Probe groß genug, dass die Zuordnung eines Aggregatzustands überhaupt Sinn ergibt, sich aufgrund ihrer radioaktiven Energie sofort in ein Plasma verwandeln.)

9 Antworten auf „Im Periodensystem verewigt – Elemente mit Personennamen

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  1. Der amerikanische Vorschlag für das Element nach 104 war dann nicht Oppenheimerium, sondern Hahnium (nach Otto Hahn, dem (Mit-)Entdecker der Kernspaltung). Die russischen Forscher schlugen Nielsbohrium vor. Und die IUPAC schlug als Vermittlungsversuch Joliotium (nach Irene und Frederic Joliot-Curie) vor. Am Ende wurde Element 105 dann zu Dubnium, nach dem russischen Forschungsstandort Dubna.

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    1. Ich hatte auch nicht behauptet, die Amerikaner hätten Oppenheimerium vorgeschlagen. Mir ging es darum, dass das Kalter-Kriegs-Drama in diesem spezifischen Fall davon getrieben wurde, dass die Amerikaner den Sowjets nicht das Benennungsrecht lassen wollten, weil sie den Namen nicht mochten. Was argumentativ zumindest diskussionswürdig ist. Und dass sie dann logen, sie wären schneller gewesen, ist auch nicht gerade ein Zeichen moralischer Überlegenheit.

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  2. Ich würde nicht zustimmen, dass das Element mit der Ordnungsnummer 104 „wohl zurecht“ noch unter dem Namen Kurtschatowium verbreitet ist. Schließlich wurde der Streit 1997 von der IUPAC geklärt und das Element Rutherfordium genannt. (Ohne die näheren Hintergründe zu kennen, scheint es mir ein Kompromiss zu sein, dass das Element mit der Ordnungsnummer 105 nun Dubnium heißt, also nach dem Ort benannt ist, an dem Rutherfordium erstmals hergestellt wurde.)

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    1. Nein. Einfach nein.
      Sagen wir, ich bekomme einen Sohn und möchte ich Jochen nennen. Mein Nachbar mag den Namen Jochen aber nicht und fordert, ich sollte ihn Mark nennen. Deshalb macht er solange Stress, bis eine dritte Partei sich einmischen muss. Und am Ende heißt er dann Thomas.
      Könnte man dann ehrlich von einem Kompromiss reden? Mein Nachbar hatte niemals das Recht, meinen Sohn zu benennen. Sein Affentheater war niemals gerechtfertigt.
      Der einzige Grund, dass wir das überhaupt in Erwägung ziehen, scheint mir, dass die UdSSR so ein Unrechtsstaat war.

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      1. Die Metapher ist nicht ganz treffend gebildet. Unter der Annahme, dass eine erste Person ihr Kind Jochen nennen will, eine andere Person aber auf Mark besteht, müsste das Kind im Ergebnis Mark genannt werden, damit die Parallele richtig ist. (Schließlich wurde das Element mit der Ordnungsnummer 104 nach dem amerikanischen Vorschlag Rutherfordium benannt.) Es gibt dann aber in der Metapher noch ein zweites Kind, dessen Benennung ebenso umstritten ist. Eine dritte Person schlägt vor, dass man das zweite Kind als Kompromiss Joshua nennen könnte (also ähnlich wie Jochen, aber nicht ganz). Im Folgenden einigen sich alle drei Beteiligten auf den Namen Joshua.

        In diesem Fall ist es in der Tat nicht richtig, das erste Kind weiterhin Jochen zu nennen, genauso wie es unrichtig wäre, das zweite Kind irgendetwas außer Joshua zu nennen. Schließlich würde eine abweichende Bezeichnung die erfolgte Einigung zwischen den Beteiligten ignorieren.

        Um die Metapher zur Realität zurückzuführen: In dem Gremium der IUPAC, das den Kompromiss beschloss, saß auch ein russischer Vertreter. Es erschließt sich mir ehrlich gesagt nicht, wie das kein Kompromiss sein soll. Hätte keine Einigung stattgefunden, wäre auch nicht erklärbar, weshalb das Element in Russland überwiegend als Резерфордий (rutherfordium) und nicht als курчато́вий (kurchatovium) bekannt ist (bspw. heißt auch die Wikipedia-Seite so).

        Man mag nun darüber streiten, ob die ursprünglichen Einwände der USA berechtigt waren. Ich persönlich finde auch, dass den US-Amerikanern keine Einwände zustanden. Das ändert aber nichts daran, dass im Nachhinein ein Kompromiss geschlossen wurde, und es ändert auch nichts daran, dass der Kompromiss unverändert gültig ist.

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  3. Ich möchte nicht den Eindruck erwecken, nur am Artikel herumzunörgeln, da das nicht meine Absicht ist. Im Gegenteil fand ich ihn so interessant, dass ich noch weiter nachgelesen habe. Dabei ist mir aufgefallen, dass es auch noch das Element Samarium (Ordnungsnummer 62) gibt, das nach dem Mineral Samarskit-(Y) benannt ist, welches wiederum nach seinem Entdecker Wassili Jewgrafowitsch Samarski-Bychowez benannt ist.

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